116 Seiten, 13 Schwerpunkte. So viel Platz nimmt sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, um ihre Ziele für die Bundestagswahl und die kommenden Jahre festzusetzen. Die MZ hat genau hingesehen und erklärt kurz und knapp, welche Inhalte junge Menschen besonders interessieren.
Das SPD-Wahlprogramm steht für: #AbschaffungderKitaGebühren #schnellesInternetfüralle #kostenloseBildung #Abrüstungsinitiative
— Wahlkalender (@MZ_Wahlkalender) 31. August 2017
- kostenfreie Ganztags-Kita-Betreuung
- mehr Erzieher ausbilden und einstellen
- Frauen für MINT-Bildung begeistern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)
- Verdopplung der Stipendien für BerufsbildungsabsolventInnen
- 40 Prozent Frauenquote in der Wissenschaft
- Bafög optimieren
- Gebühren für Meisterkurse abschaffen
- Initiativen gegen Analphabetismus
Gute Bildung von Anfang an:
Wir sorgen für ein ausreichendes Angebot an Krippen, Kitas, Kindertagespflege, Horten und Ganztagsschulen. Die Kita-Gebühren schaffen wir schrittweise ab und entlasten damit alle Familien, die jetzt noch für die Betreuung zahlen müssen.
Außerdem werden wir in Bildung und Betreuung am Nachmittag investieren und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kita- und Grundschulkindern einführen – mit finanzieller Beteiligung des Bundes. Ziel muss es dabei sein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch durch bedarfsgerechte Betreuungsangebote zu anderen Tageszeiten als bisher zu verbessern.
Mit einem bundesweiten Gesetz werden wir die Qualität von Kitas mit Unterstützung des Bundes steigern. Wir brauchen besser ausgestattete Kitas und eine gesunde Ernährung. Mit zusätzlichen Erzieherinnen und Erziehern können die Kinder in den Gruppen besser betreut werden. Dafür wollen wir den Beruf aufwerten und die Ausbildung verbessern. Wir werden dies mit einer Fachkräfteoffensive unterstützen. Zusätzlich wollen wir die Kindertagespflege weiter professionalisieren und aufwerten.(Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S. 10)
Wer sich für seinen späteren Beruf entscheiden soll, braucht frühzeitig Rat und Unterstützung. Bereits in der Schule muss eine gezielte Berufs- oder Studienorientierung stattfinden. Darüber hinaus sind Jugendberufsagenturen wichtige Anlaufstellen beim Übergang von der Schule in den Beruf. Wir wollen sie flächendeckend etablieren. Nach diesem Vorbild soll auch die Zusammenarbeit aller für die berufliche Ausbildung zuständigen Stellen verbessert werden.
Die „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ von Gewerkschaften, Wirtschaft, Bund und Ländern werden wir fortführen. Unser Ziel bleibt die Garantie auf einen Ausbildungsplatz und damit der Anspruch für alle in Deutschland lebenden jungen Menschen auf eine qualitativ hochwertige und vollqualifizierende Ausbildung. Der betriebliche Ausbildungsplatz steht dabei im Mittelpunkt. Von Gewerkschaften und Arbeitgebern getragene branchenbezogene Ausbildungsfonds wollen wir stärken.
Die assistierte Ausbildung, bei der neben den Jugendlichen auch Eltern, Schulen und Unternehmen unterstützt werden, wollen wir bundesweit ausbauen. Gleichzeitig werden wir das Instrument der ausbildungsbegleitenden Hilfen stärken, um so Unterstützung bei Lernschwierigkeiten oder bei Problemen im sozialen Umfeld zu ermöglichen. Weiter werden wir eine Initiative zum Ausbau der Teilzeitausbildung auf den Weg bringen.
Wir finden uns nicht damit ab, dass es in Deutschland weiterhin 7,5 Millionen funktionale Analphabeten gibt. Daher schaffen wir weitere Angebote des Bundes zur Stärkung der Grundbildung.
Die Berufsschulen sind entscheidend für die Qualität der dualen Ausbildung. Hier lernen die Fachkräfte von morgen. Mit einem Berufsschulpakt wollen wir ihre Ausstattung modernisieren und dafür sorgen, dass genügend gute Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Ein solcher Pakt muss von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden. Die Unternehmen und Ausbildungsbetriebe werden wir einbeziehen.
Wer eine anspruchsvolle Ausbildung macht, soll auch ordentlich bezahlt werden. Deshalb braucht es eine angemessene Mindestausbildungsvergütung. Tarifvertragliche Lösungen haben dabei Vorrang, insbesondere Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, wodurch tariflich geregelte Ausbildungsvergütungen für alle gelten.
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollen künftig eine Ankündigungsfrist einhalten, wenn sie Auszubildende nach ihrem Abschluss nicht übernehmen wollen. Wir werden das Berufsbildungsgesetz novellieren und hier einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Ausbildungsqualität legen. Eine Freistellung für Berufsschultage muss für Auszubildende unabhängig vom Alter gelten.
Das deutsche Handwerk lebt von seiner ausgezeichneten Qualität und seinem hervorragenden Ruf. Um die Sicherheit und Qualität in der Ausbildung zu gewährleisten, werden wir das System der zulassungspflichtigen Handwerksberufe sowie den Meisterbrief stärken.
Wir brauchen eine Ausbildungsstrategie für die Arbeitswelt 4.0, um mit Veränderungen wie der Digitalisierung Schritt zu halten. Dafür muss das Berufsbildungsgesetz weiterentwickelt werden. Eine Schlüsselrolle haben hier die betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbilder. Eine regelmäßige Weiterbildung muss Standard sein. Dies schließt eine zusätzliche Qualifizierung für die Ausbildung von Menschen mit Behinderung ein. Aufgrund der Auflösung von Orts- und Zeitgebundenheit von Weiterbildung durch digitale Bildungsangebote eröffnen sich neue 13 Zugänge für jene, die bisher nur schwerlich an Weiterbildung teilhaben konnten. Somit wird auch eine berufsbegleitende Weiterqualifizierung erleichtert.
Die Vorteile der beruflichen und der akademischen Bildung wollen wir durch mehr Durchlässigkeit in beide Richtungen miteinander verknüpfen. Duale Studiengänge sind eine gelungene Form, berufliche und akademische Bildung miteinander zu verbinden. Wir werden sie bundesweit vergleichbarer machen und gemeinsam mit den Ländern und den Hochschulen Qualitätskriterien definieren. Die Praxisphasen der dualen Studiengänge werden wir im Berufsbildungsgesetz regeln.
Einen Durchbruch wollen wir bei der sozialen Öffnung der Hochschulen erreichen: Wir werden die Anzahl der Stipendien für Berufsbildungsabsolventinnen und -absolventen verdoppeln. Zusätzlich wollen wir mehr Weiterbildungsstipendien ermöglichen und duale Studiengänge entschieden ausbauen. Wir werden für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gebühren für Techniker-, Meister- und Fachwirtkurse abschaffen. Und wer den Meisterbrief hat, soll künftig auch zum Masterstudium zugelassen werden können.
Gute Hochschulen:
Hochschulen und Wissenschaft sind für die Menschen da. Wir brauchen hervorragende Lehre, exzellente Forschung, Verbindung und Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, eine starke internationale Sichtbarkeit, gesellschaftliche Verantwortung und verlässliche Arbeitsbedingungen.
Wir werden die Grundfinanzierung der Hochschulen stärken und der außeruniversitären Forschung eine verlässliche Perspektive geben. Die befristeten Mittel der Wissenschafts- und Hochschulpakte werden wir auch nach 2019/20 erhalten und in eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung überführen. Der Bund wird die neuen Möglichkeiten im Grundgesetz nutzen und in diesem Sinne gemeinsam mit den Ländern und der Wissenschaft die Grundfinanzierung der Hochschulen stärken. Die hochschulmedizinische Forschung werden wir gezielt fördern.
Junge Talente sollen ihren Weg in der Wissenschaft gehen können. Deshalb wollen wir den Hochschulen und Forschungseinrichtungen Anreize für verlässliche Karrierewege geben. Unser Ziel ist es, Befristungen deutlich zu verringern, Gleichstellung in der Wissenschaft zu verankern und Diskriminierungen entgegenzuwirken. Wir setzen uns für einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in Führungspositionen in der Wissenschaft ein. Deshalb wollen wir eine verbindliche Quote für alle direkt personalwirksamen Maßnahmen des Bundes. Darüber hinaus werden wir uns auch für verlässliche Beschäftigungsbedingungen für studentische Hilfskräfte einsetzen.
Um die Qualität der Lehre zu verbessern und um die Zahl der Studienabbrüche zu reduzieren, brauchen wir eine bessere Betreuung der Studierenden. Insgesamt werden wir hervorragende Lehre zu einem Kernpunkt unserer Hochschulpolitik machen. Gute Lehre muss auch zu guten Karriereperspektiven führen.
Universitäten werden wir zudem anhalten, sich Kooperationen mit Fachhochschulen bei neuen Promotionsmodellen stärker zu öffnen.
Die Digitalisierung der Hochschulen können Bund und Länder nur gemeinsam erreichen. Wir setzen uns dafür ein, dass mehr qualitativ hochwertige Online-Lernangebote an den Hochschulen entstehen, damit das Studium zunehmend orts- und zeitflexibel möglich wird.
Dafür werden wir eine Ausstattungsinitiative starten, mit der wir Hochschulen bei der Digitalisierung ihrer Campus-Systeme und Lernplattformen unterstützen. Die Vernetzung zwischen den Hochschulen im Bereich Digitalisierung werden wir insgesamt verbessern. Wir wollen die Idee einer digitale „Open University“ fördern, an der auch Menschen ohne Abitur teilnehmen können.
Bildung und Wissenschaft sollen die Chancen der Digitalisierung stärker nutzen können. Wir wollen die offenen Kanäle für wissenschaftliche Kommunikation und Publikation fördern (Open Access). Wir brauchen auch ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht. Der Gesetzgeber muss entscheiden, was als lizenzfreier Basiszugang gewährleistet werden muss. Wir werden deshalb mehr Rechtssicherheit für alle schaffen. Wir werden dabei auch den Interessen der Urheber Rechnung tragen und eine faire Vergütung für die Nutzung ihrer Werke sicherstellen. In Forschung und Lehre sollen digitale Methoden legal genutzt werden können. Beispiele hierfür sind Text- und Datamining, also die Auswertung digitaler Datenbestände.
Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften bilden eine wichtige Säule unseres Wissenschaftssystems. Wir werden sie mit einem Bund-Länder-Programm dabei unterstützen, zusätzliches wissenschaftliches Personal zu gewinnen. Daneben werden wir sie bei der Entwicklung und Umsetzung einer Internationalisierungsstrategie fördern.
Wir wollen den Erfolg der Bologna-Reformen sichern. Dafür müssen wir europaweit Qualitätsanreize setzen, damit Studieneingangsphasen flexibler gestaltet und Freiräume zur Studiengestaltung ausgeweitet werden. Die ausufernde Anzahl von verschiedenen, sehr ausdifferenzierten Studiengängen werden wir deutlich begrenzen.
Auch hierdurch können wir Studienabbrüche spürbar verringern. Bachelor-Absolventinnen und Absolventen mit Promotion oder mehrjähriger beruflicher Erfahrung wollen wir den Zugang zum höheren Dienst des Bundes vollständig eröffnen. Außerdem wollen wir die Anzahl der Masterstudienplätze erhöhen. Wir werden im Rahmen eines Hochschulsozialpaktes Studienberatung und Betreuung verbessern, die Mensen ausbauen sowie die Sanierung und den Neubau für studentisches Wohnen vorantreiben. Die Studierendenwerke sind wichtige Partner, um diese Ziele zu erreichen.
Mehr Chancengleichheit durch besseres BAföG:
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz – das BAföG – ist eine sozialdemokratische Erfolgsgeschichte. Es ist neben der Gebührenfreiheit das wichtigste Instrument für mehr Chancengleichheit in der Bildung. Wir werden daher die Leistungen verbessern, die Förderung stärker auf neue Lebenssituationen ausrichten und das BAföG an die vielfältigen Bildungswege anpassen. Dazu gehört eine bedarfsdeckende Erhöhung der Fördersätze, die regelmäßig überprüft und angepasst wird.
Das Schüler-BAföG in den allgemeinbildenden Schulen und in den nicht-dualen Ausbildungen wollen wir ausbauen. Das Studierenden-BAföG soll durch höhere Einkommensgrenzen weiter geöffnet werden. Die Altersgrenzen werden wir deutlich anheben und flexiblere Förderansprüche schaffen – zum Beispiel für Teilzeitstudien und Weiterbildungs-Master. Soziales und politisches Engagement wollen wir stärker bei der Förderung berücksichtigen. Das Meister-BAföG werden wir weiterentwickeln und stärken. Wir werden die Aus- und Weiterbildungsfinanzierung unter ein gemeinsames Dach „BAföG-Plus“ stellen. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S. 17-21)
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Mindestlohn für alle
- selbstständige Arbeitszeitgestaltung
- Branchentarifvertrag für den Bereich Soziales
- Recht auf Weiterbildung stärken, inklusive Kinderbetreuungsangebot
- Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren
- keine Sanktionierung mehr von Leistungen für Kosten und Unterkunft
Wir sorgen für sichere Arbeit mit dem Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland. Unser Land ist wirtschaftlich erfolgreich. Dies ist vor allem Ergebnis der hohen Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die den Erfolg tagtäglich erarbeiten. Es ist auch das Ergebnis einer Sozialpartnerschaft, in der Gewerkschaften auf Augenhöhe die Interessen der Arbeitnehmerschaft durchsetzen können. Und es ist der Erfolg von verantwortungsbewussten und innovativen Unternehmerinnen und Unternehmern, die gemeinsam mit den Beschäftigten unser Land voranbringen. Wir bringen all jenen, die durch ihre Arbeit und ihr Engagement unser Land voranbringen, den Respekt entgegen, den sie verdienen. Das sollen die Menschen in ihrem täglichen Leben spüren.
Arbeit befindet sich im Wandel. Technologische Innovationen, digitale Vernetzung, unterschiedliche Lebensentwürfe, der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine wachsende Vielfalt der Beschäftigungsformen sind neue Herausforderungen – auch für die Politik. Wir passen die Rahmenbedingungen an, denn wir wollen Arbeit, die sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Dafür brauchen wir eine neue Partnerschaft auf dem Arbeitsmarkt. Wir sind überzeugt: Nur gemeinsam bringen wir unser Land voran! Bessere Arbeitsbedingungen nützen allen, nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sondern auch den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Wer gute Arbeit hat, ist zufrieden. Und wer zufrieden ist und ohne existenzielle Sorgen, kann sich intensiv auf die Arbeit konzentrieren.
Unser Ziel: unbefristete Arbeit – sozial abgesichert und nach Tarif bezahlt. Das muss für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder der Normalfall sein.
Männer und Frauen, die ihren Job verloren haben, sollen schnell wieder gute Arbeit finden. Wir werden die Menschen durch bessere Weiterbildungsmöglichkeiten unterstützen. Gleichzeitig schaffen wir mehr Sicherheit durch eine starke Arbeitslosenversicherung. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S. 16-17)
Wir wollen eine starke Wirtschaft und Unternehmen, die gute Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen einen funktionierenden Arbeitsmarkt, der den Wert der Arbeit anerkennt. Zugleich müssen die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass die Menschen mit mehr Zuversicht in die Zukunft blicken können. Deshalb werden wir die sachgrundlose Befristung abschaffen, um insbesondere jungen Menschen Perspektiven und mehr Planbarkeit für ihr berufliches und privates Leben zu ermöglichen. Die Sachgründe für Befristungen werden wir einschränken und die Möglichkeit von Kettenbefristungen begrenzen. Den öffentlichen Arbeitgebern kommt hier eine besondere Verantwortung zu.
Wir wollen existenzsichernde Arbeit anstelle prekärer Beschäftigung ermöglichen. Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter und Werkvertragsnehmerinnen und -nehmer brauchen besseren Schutz. Mit der Einführung einer Höchstüberlassungsdauer und dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ haben wir bereits viel erreicht. Diesen Weg werden wir weitergehen. Unser Ziel ist, dass Leiharbeit vom ersten Tag an genauso vergütet wird, wie in der Stammbelegschaft. Davon darf nur durch repräsentative Tarifverträge abgewichen werden. Die Koppelung eines Leiharbeitsverhältnisses an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) soll unzulässig sein. Wir werden die Mitbestimmung der Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen deutlich ausbauen. Den Missbrauch von Werkverträgen werden wir bekämpfen.
Die arbeitnehmerfeindliche und immer weiter ausufernde Verbreitung von „Arbeiten auf Abruf“ werden wir eindämmen. Auch geringfügige Beschäftigung wollen wir abbauen, den Missbrauch bekämpfen und Beschäftigten den Weg aus Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeit öffnen.
Die Ausnahmen beim Mindestlohn für Langzeitarbeitslose werden wir abschaffen. Wo reguläre Arbeit geleistet wird, muss auch regulär bezahlt werden. Die Ausnahmen für die unter 18- Jährigen werden wir auf ihre Auswirkungen evaluieren und streben, wo möglich, ihre Aufhebung an.
Wir wollen einen Pakt für anständige Löhne und eine stärkere Tarifbindung. Voraussetzung für gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen in allen Branchen sind starke Gewerkschaften und eine hohe Tarifbindung. Deshalb werden wir den eingeschlagenen Weg der gesetzlichen Privilegierung von Tarifpartnerschaft fortsetzen. Tarifgebundenen Betrieben geben wir mehr Gestaltungsmöglichkeiten als Betrieben ohne Tarifbindung. Die Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen werden wir weiter verbessern und die Voraussetzungen präzisieren. Die Rechtssicherheit der allgemeinen Verbindlichkeit von Tarifverträgen muss gegebenenfalls auch rückwirkend gewährleistet sein. Wir wollen die kollektive Nachwirkung von Tarifverträgen, etwa im Falle der Auslagerung von Betrieben oder Betriebsteilen, bis zur Ablösung durch einen neuen Tarifvertrag. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge müssen Tariftreue-Regelungen verstärkt zum Einsatz kommen. Um die Rechte der Beschäftigten besser zu schützen, werden wir ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften einführen.
Digitale Arbeit gestalten:
Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt grundlegend. Sie eröffnet Chancen und birgt Risiken. Auch digitale Arbeit muss gute Arbeit sein. Der Arbeitnehmer- und Betriebsbegriff muss entsprechend den Veränderungen durch die Digitalisierung angepasst werden, damit die Schutzfunktion des Arbeitsrechts erhalten bleibt. Es ist eine politische Aufgabe, die Digitalisierung unserer Arbeitswelt zu gestalten. Arbeiten 4.0 heißt für uns: Gesetzliche Rahmenbedingungen, tarifvertragliche Regelungen und betriebliche Ausgestaltung müssen 16 ineinandergreifen, um die Chancen zu nutzen. Mehr selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung ist ein zentrales Ziel, um mehr Vereinbarkeit von Arbeit und Leben zu ermöglichen. Beschäftigte sollen mehr Wahlmöglichkeiten bei ihrer Arbeitszeit und für ihren Arbeitsort erhalten, sofern betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen. Wir wollen daher, in enger Abstimmung mit Gewerkschaften und Unternehmen, ein Wahlarbeitszeitgesetz auf den Weg bringen, in dem Rechtsansprüche der Beschäftigten, finanzielle Unterstützung in bestimmten Lebensphasen und Anreize für die Aushandlung betrieblicher Wahlarbeitskonzepte miteinander verzahnt sind. Ein wichtiger Baustein ist hierbei das Recht, nach einer Phase der freiwilligen Teilzeitarbeit auf die frühere Arbeitszeit zurückzukehren. Vor allem Frauen sind von der sogenannten Teilzeitfalle betroffen. Dies wirkt sich vor allem bei der Rente aus. Wir werden ihnen die Möglichkeit geben, die Planung über Karriere und Berufsleben selbst in der Hand zu behalten.
Zudem wollen wir Langzeitkonten für Beschäftigte und Betriebe attraktiver machen. Wenn viel Arbeit anfällt, muss es möglich sein, zusätzlich geleistete Arbeitszeiten anzusparen. In ruhigeren Phasen oder wenn mehr Zeit für die Familie gebraucht wird, kann dann weniger gearbeitet werden. Wir wollen daher prüfen, ob und wie Langzeitkonten betriebsübergreifend organisiert werden können. Digitalisierung ermöglicht mehr Flexibilität und bessere Chancen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Wahlarbeitszeitgesetz soll auch einen rechtlichen Rahmen für mobile Arbeit schaffen. Dabei ist es unser Ziel, dass die Tarifparteien Vereinbarungen dazu treffen. Arbeitgeber sollen begründen müssen, wenn der Wunsch nach mobiler Arbeit abgelehnt wird.
Auch in einer digitalisierten Arbeitswelt sind Ruhezeiten weiter nötig! Wir werden eine Klarstellung des Rechts auf Nicht-Erreichbarkeit schaffen, um Belastungen, die sich mit ortsund zeitflexibler Arbeit verbinden, zu begrenzen. Zur Verringerung der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz werden wir das Arbeitsschutzrecht um verbindlichere Regelungen erweitern. Dies betrifft besonders die wirksamere Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen und den Ausbau der Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte. Die Kontrolle der Einhaltung des Arbeitsschutzes und des Arbeitsrechtes muss verbessert werden. Dazu ist auch eine bessere Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit notwendig. Die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft hat zu gravierenden Veränderungen auch auf den Postmärkten geführt. Während aber die wesentlichen regulatorischen Rahmenbedingungen in diesem Bereich fast 20 Jahre alt sind, hat sich in der besonders personalintensiven Postdienstleistungsbranche ein privater Wettbewerbsmarkt entwickelt, der allzu oft zu Lasten der Beschäftigten geht. Damit auch künftig ein hohes Niveau an postalischer Grundversorgung zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten bleibt und gleichzeitig bessere Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorherrschen, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden.
Im Zuge der Digitalisierung werden zunehmend personenbezogene Daten erhoben. Es ist notwendig, durch klare Vorgaben zu regeln, welche Daten zu welchem Zweck und zu welchen Bedingungen im Unternehmen verarbeitet werden dürfen. Zum Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten werden wir ein Beschäftigtendatenschutzgesetz schaffen. Die Ressourcen der Betriebsräte bei der Einführung von IT-Systemen und Software müssen gestärkt werden, damit sie eine umfassende Verhaltens- und Leistungskontrolle effektiv verhindern können.
Mehr Demokratie im Betrieb:
Mitbestimmung ist zentral für den Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft. Sie ist Ausdruck unserer Vorstellung von Wirtschaftsdemokratie. Nur mit Mitbestimmung auf Augenhöhe kann der Wandel in der Arbeitswelt erfolgreich gestaltet werden. Wir wollen sie gesetzlich stärken.
Wir werden den Schwellenwert für die Geltung der paritätischen Mitbestimmung auf 1.000 Beschäftigte senken. Beschäftigung jenseits der Kernbelegschaften muss künftig systematisch bei den Schwellenwerten für die Drittel- und die paritätische Mitbestimmung berücksichtigt werden.
Das deutsche Mitbestimmungsrecht muss auch auf Unternehmen in ausländischer Rechtsform mit Sitz in Deutschland bzw. auf die deutsche Zweigniederlassung erstreckt werden.
Auf der deutschen und europäischen Ebene setzen wir uns für die Schließung von Schlupflöchern ein, wie sie etwa bei der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) zur Vermeidung von Mitbestimmung genutzt werden können. Wir werden uns dafür einsetzen, dass im SE-Beteiligungsgesetz klargestellt wird, dass die Mitbestimmung in einer SE neu verhandelt werden muss, wenn die Zahl der Beschäftigten in Deutschland über die Schwellenwerte der deutschen Mitbestimmungsgesetze steigt. Weiterhin gilt es, das Drittelbeteiligungsgesetz an die Regelungen zur Konzernanrechnung im Mitbestimmungsgesetz und hinsichtlich der Erfassung der Kapitalgesellschaft & Co. KG im Mitbestimmungsgesetz anzupassen.
Weiterbildung und betriebliche Qualifizierung nehmen an Bedeutung zu. Deshalb brauchen Betriebsräte hier mehr Mitwirkungsrechte – etwa durch Ausbau des bestehenden Vorschlagsund Beratungsrechts zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung und durch ein generelles Initiativrecht auf die Einführung betrieblicher Berufsbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Noch immer gibt es zu viele Betriebe ohne betriebliche Mitbestimmung. Die systematische Behinderung von Betriebsratswahlen und der Arbeit von Betriebsräten ist illegal und demokratiefeindlich und muss als Offizialdelikt konsequent verfolgt werden. Durch die Bildung von entsprechenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften wird die Wirksamkeit der Strafverfolgung erhöht – auch für sonstige Verstöße gegen das Arbeitsrecht. Wir wollen die Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung durch eine weitere Vereinfachung des Wahlverfahrens erhöhen. Der besondere Kündigungsschutz für die Initiatoren einer Betriebsratswahl muss verbessert werden. Die Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Fremdbeschäftigung, etwa bei Werkverträgen, müssen gestärkt werden.
Der öffentliche Dienst soll weiter demokratisiert und modernisiert werden. Die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte der Personalräte müssen dementsprechend ausgebaut werden.
Gewerkschaftliche Vertrauensleute brauchen verlässlichen Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz. Wir werden Sicherheit für so genannte Whistleblower schaffen.
Soziale Berufe aufwerten:
Menschen, die in Gesundheits-, Pflege-, Erziehungs-, Sozial- und Bildungsberufen arbeiten, verdienen mehr Anerkennung. Wir wollen deshalb eine Beschäftigungspolitik, durch die soziale Dienstleistungen gestärkt werden. Die Träger, Dienste und Einrichtungen sind ebenso in der Verantwortung wie Bund, Länder und Kommunen. Denn die öffentliche Hand legt Rahmenbedingungen sowie die finanzielle Ausstattung fest.
Aufgrund der vielfältigen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, werden die sozialen Berufe weiter an Bedeutung gewinnen. Dieser Bedeutungszuwachs muss sich auch im Einkommen widerspiegeln. Deshalb wollen wir die sozialen Berufe aufwerten. Künftig soll aus der vollschulischen Ausbildung eine echte duale Ausbildung werden. Dadurch machen wir sie nicht nur gebührenfrei, sondern schaffen zudem eine Ausbildungsvergütung! Ein Anreiz, der dazu führen wird, dass auch Männer diese Berufe verstärkt ergreifen. Für die Gesundheitsfachberufe schaffen wir einen bundeseinheitlichen Rahmen. Um der Zersplitterung der arbeitsrechtlichen Vereinbarungen und der Tarifabschlüsse zu begegnen, ist ein allgemeinverbindlicher Branchentarifvertrag Soziales notwendig.
Weiterbildung fördern:
In der Arbeitswelt von morgen kommt der Weiterbildung eine Schlüsselrolle zu. Wir brauchen deshalb eine Weiterbildungsoffensive. Bestehende Qualifizierungsangebote sollen ausgebaut und aufeinander abstimmt werden – auch in Verbindung mit tariflichen Strategien. Dabei geht es um eine qualifizierte, unabhängige Beratung der Beschäftigten sowie das Recht, Weiterbildung in Anspruch nehmen zu können und dafür auch freigestellt zu werden. Die Kosten der Maßnahmen sowie die Sicherung des Lebensunterhaltes sollten – je nach Nutzen – fair zwischen Betrieb, Gesellschaft und dem oder der Einzelnen aufgeteilt werden. Es muss darum gehen, allen Beschäftigten die gleichen Chancen auf Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen: Frauen und Männern, Jüngeren und Älteren, Teilzeitbeschäftigten und Beschäftigten mit Familienpflichten. Dazu gehört im Bedarfsfall auch ein Kinderbetreuungsangebot. Wir streben eine in sich schlüssige Weiterbildungsförderung des Bundes an, die wir gemeinsam mit den Tarifpartnern umsetzen wollen. Im Rahmen einer Nationalen Weiterbildungskonferenz müssen die verschiedenen Weiterbildungsinstrumente sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Nötig ist auch ein regionales Fachkräftemonitoring, sowie Innovations- und Beratungszentren für Unternehmen zum Thema Arbeiten 4.0.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt stellt besondere Anforderungen an die berufliche Aus-, Fortund Weiterbildung. Durch den Einsatz digitaler Medien können moderne berufliche Aus- und Weiterbildungsgänge zeitgemäß gestaltet und dazu die digitalen Kompetenzen des pädagogischen Personals in den Bildungseinrichtungen und Unternehmen gestärkt werden. Elemente digitalen Lernens erleichtern durch ihre Flexibilität mit Blick auf Ort und Zeit darüber hinaus die berufsbegleitende Weiterqualifizierung und öffnen Zugänge auch für nonformal Lernende. Hiervon können insbesondere kleine und mittlere Unternehmen stärker profitieren.
Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung weiterentwickeln:
Die neue Arbeitswelt 4.0 eröffnet Chancen – stellt uns aber auch vor die Herausforderung, die Beschäftigten neu abzusichern. Sie sollen im Laufe ihres Erwerbslebens so unterstützt werden, dass sie gar nicht erst länger arbeitslos bleiben. Und in einer Phase der Arbeitslosigkeit sollen sie vorhandene Qualifikation ausbauen können. Wir werden ein Recht auf Weiterbildung einführen. Arbeitslose, die innerhalb von drei Monaten keine neue Beschäftigung finden, sollen von der Bundesagentur für Arbeit ein Angebot für eine Qualifizierungsmaßnahme erhalten, um so ihre Vermittlungschancen zu erhöhen. Das Recht auf Weiterbildung beinhaltet eine umfassende Kompetenzerfassung aller Fähigkeiten und Begabungen. Darauf baut eine gezielte Weiterbildungsberatung auf. Weiterbildungsmaßnahmen können auch darin bestehen, dass ein Berufsabschluss nachgeholt oder eine Umschulung begonnen wird. Hier werden wir eng mit den Gewerkschaften und Betrieben vor Ort zusammenarbeiten. Für die Dauer der Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen soll es ein neues Arbeitslosengeld Q (ALG Q) geben. Das werden wir einführen. Der Bezug des ALG Q wird nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Die Höhe des ALG Q entspricht dem Arbeitslosengeld. Nach Beendigung einer 19 umfassenden Qualifizierungsmaßnahme oder Umschulung setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld erneut nach den bisherigen Regeln ein.
Wir werden die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und dementsprechend einen Umbau der Bundesagentur für Arbeit zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung vorantreiben. Die Arbeitsversicherung darf nicht erst bei Arbeitslosigkeit reagieren! Auch wer in Beschäftigung ist, soll bereits eine unabhängige Beratung in Anspruch nehmen können. Hier soll aufgezeigt werden, welche beruflichen Perspektiven die Beschäftigten mit ihren vorhandenen Qualifikationen haben und welche Optionen sich für eine berufliche Weiterbildung anbieten. Aufbauend auf der Beratung können im Bedarfsfall berufsbegleitend Qualifizierungsmaßnahmen durch die Arbeitsversicherung gefördert werden. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen perspektivisch nach Eintritt ins Berufsleben über ein persönliches Entwicklungskonto verfügen, das sie für die Absicherung von Weiterbildungszeiten nutzen können. Es soll mit einem öffentlich finanzierten Startguthaben ausgestattet werden.
Ein großer Teil der Arbeitslosen befindet sich derzeit nicht mehr im System der Arbeitslosenversicherung, sondern in der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wir werden die Arbeitslosenversicherung wieder stärken. Viele Arbeitslose erhalten kein Arbeitslosengeld, da sie innerhalb der letzten zwei Jahre, der sogenannten Rahmenfrist, nicht mindestens zwölf Monate beitragspflichtig gearbeitet haben. Obwohl sie in der Regel Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben, erhalten sie keine Leistungen mehr aus der Versicherung. Das werden wir ändern. Wer innerhalb von drei Jahren vor der Arbeitslosigkeit mindestens zehn Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, soll künftig bereits Arbeitslosengeld erhalten. Für Selbstständige, die sich in der Arbeitslosenversicherung versichern, sollen künftig einkommensbezogene Beiträge erhoben werden.
Trotz der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt gibt es noch viele Menschen, die über einen längeren Zeitraum arbeitslos sind. Gerade sie brauchen individuelle und passgenaue Unterstützung, um durch Teilhabe am Arbeitsleben auch (wieder) gesellschaftliche Teilhabe zu erreichen. Die Rahmenbedingungen in den Jobcentern und deren personelle und finanzielle Ausstattung wollen wir daher so verbessern, dass diese individuelle Unterstützung auch geleistet und eine hohe Beratungs- und Förderqualität sichergestellt werden können. Dabei werden wir die Interessen der Arbeitslosen stärker berücksichtigen und ihre Rechte stärken.
Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren und werden deshalb öffentlich geförderte Beschäftigung ausbauen und einen dauerhaften, sozialen Arbeitsmarkt schaffen.
Das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe“ werden wir als Regelleistung in das Sozialgesetzbuch II übernehmen. Mit dem sozialen Arbeitsmarkt schaffen wir neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose, die auf absehbare Zeit keine realistischen Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Das ist auch von hoher Bedeutung für Regionen, die in besonderem Maße von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind.
Alle Angebote der Arbeitsförderung müssen so ausgestaltet werden, dass sie es auch Frauen und Männern mit Familienaufgaben ermöglichen, erfolgreich daran teilzunehmen. Für Alleinerziehende machen wir gezielte Angebote. Wir wollen auch für Kinder aus Familien, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, die Möglichkeit verbessern, mit beiden Eltern Umgang zu haben. Dazu werden wir einen Umgangsmehrbedarf einführen, wenn beide Eltern das Kind betreuen.
Um die Chancen von langzeitarbeitslosen Frauen zu verbessern, wollen wir die bewährten Beauftragten für Chancengleichheit auch im SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) verankern. Auch für Langzeitarbeitslose, die wegen der Anrechnung von Partnereinkommen 20 bisher keinen Anspruch auf aktivierende Leistungen nach dem SGB II haben, werden wir in Zukunft Weiterbildungsangebote machen. Wir wollen die individuelle Förderung der Arbeitsuchenden in den Jobcentern verbessern. Im Vordergrund muss der Erhalt und der Ausbau von Beschäftigungsfähigkeit gegenüber der schnellen Vermittlung stehen.
Die schärferen Sanktionen für unter 25-Jährige werden wir aus dem SGB II streichen. Die Sanktionierung von Leistungen für Kosten der Unterkunft werden wir abschaffen. Niemand darf aufgrund einer Sanktion wohnungslos werden. Außerdem werden wir das Schonvermögen im SGB II verdoppeln. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S- 21-27)
- zusammen mit Frankreich für den Zusammenhalt in der EU und für die Einigung Europas arbeiten
- Europäischen Freiwilligendienst und Austauschprogramme ausbauen
- westliche Balkanländer unterstützen und Beitrittsperspektiven zur EU bieten
- stärkere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik, Gründung der Europäischen Verteidigungsunion
- trotz Brexit enge Partnerschaft mit Großbritannien
- gemeinsames Finanzbudget in Eurostaaten
Deutschland ist ein stabiles Land. Wir sind zugleich Stabilitätsanker für Europa. Das wollen wir auch in Zukunft sein. Allerdings wissen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass nur alle gemeinsam Europa führen können und niemand den Anspruch erheben kann, dass alle anderen ihm folgen. Europa besteht aus vielen Mitgliedsstaaten. Unabhängig von ihrer Größe gilt: Alle sind gleichberechtigt. Dabei kommt Deutschland mit Frankreich eine besondere gemeinsame Verantwortung für den Zusammenhalt der EU und die Einigung Europas zu.
Aber nur in der gleichberechtigten Zusammenarbeit aller Mitgliedsstaaten schaffen wir für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union das, was wir allein als einzelne Nationalstaaten in einer sich ändernden Welt nicht mehr erreichen können. In dieser Welt, in der Asien, Lateinamerika und Afrika wachsen, werden unsere Kinder und Enkel nur dann eine Stimme haben, wenn es eine gemeinsame europäische Stimme ist. Europa ist deshalb kein Verlust, sondern ein Gewinn an Souveränität, die wir als einzelne Nationalstaaten nicht mehr hätten.
Das europäische Gesellschaftsmodell beruht auf den Werten der Aufklärung und verbindet Freiheit und Verantwortung, wirtschaftlichen Erfolg und soziale Sicherheit.
Diese gemeinsame europäische Idee werden wir stärken. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie infolge der Flüchtlingsbewegungen hat das Vertrauen in die EU gelitten. Nationale Gegensätze und Egoismen sind zurückgekehrt und populistische, anti-europäische Parteien sind auf dem Vormarsch. Wir stellen uns diesen autoritären und nationalistischen Kräften in Europa entschieden entgegen und kämpfen für mehr europäischen Zusammenhalt und Solidarität.
Wir wollen einen mutigen Aufbruch für ein selbstbewusstes Europa. Ein Europa, das die Menschen und ihre Alltagssorgen in den Blick nimmt. Ein Europa, das massiv in Ausbildung, Arbeit, wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz investiert. Ein Europa, in dem große Konzerne faire Steuern zahlen. Ein Europa, das den Nationalismus überwindet, solidarisch handelt und den Menschen Sicherheit gibt.
Investitionen in Arbeit und Ausbildung:
Wir wollen das europäische Wohlstandsversprechen erneuern. Daher fordern wir mehr Investitionen in Europas Zukunft. Deutschland ist zwar „Nettozahler“, aber nicht Lastesel der Europäischen Union, sondern Nettogewinner. Millionen von Arbeitsplätzen in unserem Land hängen davon ab, dass es anderen in Europa auch gut geht. So gut, dass sie sich unsere hochwertigen Waren und Dienstleistungen leisten können. Rund 60 Prozent unserer Exporte gehen in die Europäische Union. Jede Investition in die Stärkung unserer Nachbarländer und in eine erfolgreiche europäische Entwicklung ist deshalb zugleich eine Investition in unsere eigene Zukunft.
Wir wollen Europa aus der Wachstumsschwäche herausführen, indem wir die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents verbessern und die viel zu hohe Arbeitslosigkeit vor allem in Süd- und Westeuropa bekämpfen. Deshalb brauchen wir ein breit angelegtes 75 europäisches Investitionsprogramm: Mit Zukunftsinvestitionen in die grenzüberschreitenden europäischen Verkehrs- und Energienetze, in den Aufbau der modernsten Infrastruktur der Welt für schnelles Internet (europäisches Gigabit-Netz), in Bildung und Ausbildung, Forschung und Entwicklung und die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit.
Um innovative Unternehmensgründungen zu fördern, wollen wir die Bedingungen für Risikokapital verbessern. Die EU muss durch eine aktive Innovations- und Industriepolitik ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Dazu werden wir mehr Mittel für Innovationen bereitstellen. Mit neuen Maßnahmen wollen wir eine zielgenauere Förderung erreichen und dafür sorgen, dass aus guten Ideen schneller neue Produkte werden.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss seinem Namen gerecht werden. Die Regeln müssen so weiterentwickelt werden, dass sie übermäßige Verschuldung verringern, aber ausreichende Freiräume für langfristig wirkende Reformen und nachhaltiges Wachstum geben.
Die im Stabilitäts- und Wachstumspakt angelegte Flexibilität muss dazu genutzt werden, dass Mitgliedstaaten in guten Zeiten solide haushalten, um in Krisen mit einer antizyklischen Politik erfolgreich gegensteuern zu können.
Die junge Generation ist unsere gemeinsame Zukunft. Wir wollen deshalb die EU-Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit deutlich aufstocken und in einem permanenten Jugendbeschäftigungsfonds bündeln. Wir wollen den europäischen Freiwilligendienst und die Austauschprogramme der EU wie Erasmus+ ausbauen. Und wir brauchen ein Europäisches Mobilitätsprogramm, aus dem junge Menschen unterstützt werden können, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz aufnehmen möchten.
Soziales Europa:
Wir wollen eine europäische Sozialunion, die ihre Politik an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet, soziale Mindeststandards sichert und Lohn- und Sozialdumping wirksam unterbindet. Auch auf europäischer Ebene wollen wir den Grundsatz verankern, dass es in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wirksame soziale Grundsicherungssysteme geben muss. Es muss in Europa das Prinzip gelten: gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort – für Männer und Frauen! Keine Toleranz gegenüber Sozialdumping.
Unser übergeordnetes Ziel ist die Stärkung der sozialen Grundrechte: Durch ein soziales Fortschrittsprotokoll, verankert im europäischen Primärrecht, wollen wir festschreiben, dass soziale Rechte gleichrangig sind gegenüber den wirtschaftlichen Grundfreiheiten des Binnenmarktes.
Zudem wollen wir wirksame EU-Regeln gegen Sozialdumping, insbesondere bei der Vergabe von Unteraufträgen, bei Briefkastenfirmen, bei vorgetäuschter Entsendung von Arbeitskräften und bei Scheinselbstständigkeit. Wir werden Unternehmen nicht gestatten, nur auf dem Papier ins Ausland zu gehen, während sie gleichzeitig ihre Aktivitäten im eigenen Land fortsetzen. Was sie hiermit bezwecken, sind lediglich geringere Lohnkosten und geringerer Arbeitnehmerschutz. Verstöße gegen das Arbeitsrecht sollen wie Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht auf europäischer Ebene geahndet werden können.
Starke Gewerkschaften und Tarifverträge gewährleisten eine angemessene Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir müssen die Mitbestimmungsrechte in ganz Europa stärken. Die soziale Marktwirtschaft, die in Deutschland erfolgreich Arbeitgeber und Gewerkschaften zu Sozialpartnern gemacht hat, ist auch unsere Leitlinie für Europa. Wo Gewerkschaftsrechte oder die Tarifautonomie im Zuge der Hilfen für in der Krise befindliche Staaten ausgesetzt wurden, sind diese wiederherzustellen.
Ein starker sozialer Dialog ist ein wesentlicher Pfeiler eines sozialeren Europas. Deshalb gilt: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände müssen als Sozialpartner mit der Zivilgesellschaft direkt und umfassender als bisher in die Entwicklung und Umsetzung der europäischen Politik einbezogen und in ihrer Arbeit unterstützt werden. Es muss zudem sichergestellt sein, dass Vereinbarungen der Sozialpartner auf EU-Ebene respektiert werden. Starke Arbeitnehmerrechte und hohe Sozialstandards sind kein wirtschaftliches Hemmnis, sondern können im Gegenteil Produktivität und Innovation begünstigen.
Die EU war in den letzten 30 Jahren immer ein wichtiger Motor für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Die europäische Gleichstellungspolitik hat mit ihren vielfältigen Aktivitäten, Maßnahmenplänen und Vorgaben den gleichstellungspolitischen Fortschritt in den Mitgliedstaaten mitbestimmt und angetrieben. Deshalb werden wir uns für die Fortsetzung der EU-Gleichstellungsstrategie einsetzen.
Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion:
Wir sind nicht einzeln stark, sondern nur gemeinsam. Daher brauchen wir eine koordinierte Wirtschaftspolitik in Europa. Unser Ziel ist es, die konjunkturellen Entwicklungen der Mitgliedstaaten Europas besser aufeinander abzustimmen. Exzessive Ungleichgewichte wollen wir überwinden. Dafür brauchen wir eine bessere und wirksamere Integration der Wirtschaftspolitik – perspektivisch mit der Einrichtung einer Wirtschaftsregierung für den Euro-Raum. Die europäische Wirtschaftsregierung soll sich zusammensetzen aus den Mitgliedern der Kommission mit entsprechendem Zuständigkeitsbereich – unter politischer Führung eines europäischen Wirtschafts- und Finanzministers. Die Wirtschaftsregierung und ihre Mitglieder müssen insbesondere über das Europäische Parlament legitimiert und kontrolliert werden. Hierzu sollte im Rahmen des Europäischen Parlamentes eine Struktur geschaffen werden, die die Aufgabe eines „Eurozonen-Parlamentes“ übernimmt.
Wir wollen insbesondere dort, wo wir mit dem Euro eine gemeinsame Währung haben, ein gemeinsames Finanzbudget schaffen. Es ermöglicht Investitionsimpulse und wirkt zugleich stabilisierend als Ausgleichsmechanismus bei Krisen. Eine wirksame Besteuerung der Finanzmärkte muss zu dessen Finanzierung beitragen. Sie haben durch ihre Gier und verantwortungslose Spekulationen Europa an den Rand des Abgrunds geführt. Nur durch staatliche Hilfen konnte Europa stabilisiert werden. Aber bis heute leisten die Finanzmärkte keine finanziellen Beiträge aus ihren Finanzmarktgeschäften zum Gemeinwohl, um wenigstens einen Teil dieser öffentlichen Kosten der Finanzkrise zurückzuzahlen.
Wir unterstützen die wachstumsschwachen und hoch verschuldeten EU-Länder und arbeiten gemeinsam mit ihnen an ihrer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung, damit ein sich selbst tragender wirtschaftlicher und sozialer Aufschwung einsetzen kann. Außerdem sollte der Europäische Stabilitätsmechanismus ins Gemeinschaftsrecht überführt und zu einem Europäischen Währungsfonds weiterentwickelt werden. Wir wollen die Integrität des gemeinsamen Währungsraums erhalten, kein Mitglied der Eurozone soll zum Ausstieg gedrängt werden. Europa braucht insgesamt klarere, demokratischere Strukturen und Verantwortlichkeiten als bisher, um Staaten in Krisenlagen zu helfen und die gemeinsame Währung zu sichern.
Mehr Wachstum und Investitionen in Europa setzen solide Einnahmen voraus. Deshalb muss Europa endlich Schritte zur Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung und des Steuervollzugs in Europa auf den Weg bringen. Europa braucht Instrumente, um Steuervermeidung und Steuerbetrug effektiv zu bekämpfen. Wir wollen durchsetzen, dass Unternehmen dort ihre Steuern bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Wir wollen die 77 Möglichkeiten von Unternehmen systematisch einschränken, ihre steuerpflichtigen Gewinne in andere Länder zu verschieben.
Friedensprojekt Europa:
Die europäische Idee vom Leben in Freiheit und Verantwortung sichert den Frieden in Europa. Die europäische Einigung und Erweiterung ist ein einzigartiges und erfolgreiches Projekt der Friedenspolitik, nach innen wie nach außen. Deutsche und europäische Außenpolitik müssen Hand in Hand gehen.
Wir machen eine präventive, umfassende Friedens- und Entwicklungspolitik zum strategischen Schwerpunkt der europäischen Politik. Auch muss die europäische Außenpolitik enger mit innenpolitischen Themen verzahnt werden, etwa bei Fragen der Flüchtlings- und Migrationspolitik, der Cyber-Sicherheit, der Handels-, Energie- und Klimapolitik.
Zugleich muss die Außenpolitik der EU auf die Stärkung des Völkerrechts und die Wahrung der Menschenrechte, starke internationale Institutionen und auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Zivile Maßnahmen und Mittel der Gewaltprävention und Konfliktbewältigung haben für uns stets Vorrang. Wir wollen daher besonders die zivile Dimension der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik aufwerten, etwa auch durch den Aufbau eines europäischen zivilen Friedenskorps. Auch wollen wir im Geiste Willy Brandts darauf hinwirken, dass in Europa die Tradition der Entspannung, des Gewaltverzichts sowie der Abrüstung Grundlage einer erneuerten gesamteuropäischen Sicherheitspolitik sind.
Auch in der Verteidigungspolitik wollen wir stärker zusammenarbeiten und die Integration von Streitkräften der Mitgliedsstaaten voranbringen – als Teil einer umfassenden, präventiven und in das internationale Recht eingebetteten Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bieten die große Chance, durch mehr Zusammenarbeit auch bei den Verteidigungsausgaben effizienter, leistungsfähiger und kostengünstiger zu werden. Gemeinsam mit den EU-Mitgliedern, die unsere Ziele bereits heute teilen, wollen wir uns über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsunion verständigen, die einer demokratischen und rechtstaatlichen Kontrolle unterliegen muss. Die im LissabonVertrag vorgesehene ständige Zusammenarbeit ist ein wichtiger Schritt und ermöglicht schon jetzt konkrete Maßnahmen der engeren Kooperation und Arbeitsteilung auf dem Weg zu einer europäischen Armee. Ein solcher Zusammenschluss versteht sich als ergänzende Anstrengung zur NATO, nicht als deren Konkurrenz. Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft. Sie ist für Frieden und Sicherheit in einer Zeit neuer internationaler Unsicherheiten und Herausforderungen unverzichtbar.
Die EU-Erweiterungspolitik bleibt wichtig, um Frieden, Stabilität und Zusammenarbeit zu fördern. Zugleich muss die EU durch innere Reformen ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Alle Länder des westlichen Balkan haben eine Beitrittsperspektive. Wir unterstützen ihre Annäherung an die EU und schenken der Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit besondere Aufmerksamkeit.
Eine besondere Herausforderung für uns ist die Zusammenarbeit mit der Türkei. Die Türkei ist in vielen Bereichen ein wichtiger, wenngleich mittlerweile sehr schwieriger Partner. Die gegenwärtigen Entwicklungen in der Türkei sehen wir mit größter Sorge und verurteilen die massenhaften Verhaftungen von Journalistinnen und Journalisten und Oppositionellen sowie die Einschränkungen fundamentaler Grundrechte wie der Freiheit von Medien und Wissenschaft in aller Schärfe. Das Vorgehen der türkischen Regierung steht im Widerspruch zu den Werten der Demokratie und Rechtstaatlichkeit, die grundlegend für die europäische Wertegemeinschaft sind.
Die Wahrheit ist: Weder die Türkei noch die Europäische Union sind in absehbarer Zeit für einen Beitritt zur bereit. Allerdings sind die Beitrittsverhandlungen das einzige kontinuierliche Gesprächsformat der Europäischen Union mit der Türkei. Eine Isolierung der Türkei ist nicht im Interesse Europas. Die Stärkung der demokratischen Kräfte der Türkei ist in unserem besonderen Interesse. Wir setzen uns deshalb für Unterstützung und Reiseerleichterungen für Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, türkisch-deutscher Unternehmen, der Wissenschaften und der Künste sowie für Journalistinnen und Journalisten ein. Klar ist: Hält die türkische Regierung an ihrem konfrontativen Kurs fest, entfernt sie die Türkei von Europa. Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, entscheidet sie sich offen gegen die Mitgliedschaft in der Europäischen Union! Dann müssen die Beitrittsverhandlungen beendet werden. Wahlkampf und eine Abstimmung über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei wird es auf deutschem Boden nicht geben.
Demokratisches und handlungsfähiges Europa:
Die EU braucht starke Institutionen, allen voran ein starkes Europäisches Parlament und eine handlungsfähige Europäische Kommission. Statt nationaler Egoismen setzen wir auf die Gemeinschaftsmethode. Zugleich erkennen wir an, dass innerhalb der Europäischen Union unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft und die Arbeitsweise der Europäischen Union bestehen. Deshalb muss die EU flexibler werden. Gruppen von Mitgliedstaaten sollen bei gemeinsamen Projekten vorangehen können. Die europäischen Verträge lassen dies ausdrücklich zu. Wir wollen auch, dass sich die EU und ihre Organe auf das wirklich Wesentliche konzentrieren: Auf die Zukunftsaufgaben, die wir nur mit gemeinsamer europäischer Kraft meistern können.
Das Vereinigte Königreich will die Europäische Union verlassen. Diese Entscheidung gilt es zu respektieren. Klar ist zugleich aber: Ein Land, das nicht mehr Mitglied der Europäischen Union sein will, kann auch nicht dessen Vorteile genießen. Die vier Grundfreiheiten (freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital) und der Binnenmarkt sind untrennbar miteinander verbunden. Bei den Austrittsverhandlungen mit Großbritannien gibt es kein „Europa à la carte“. Natürlich ist eine enge Partnerschaft mit Großbritannien auch künftig in beiderseitigem Interesse, vor allem bei der Außen- und Sicherheitspolitik. Für uns ist aber in den Verhandlungen das wichtigste deutsche Interesse der Erhalt der europäischen Einigung.
Für eine Europäische Verfassung für Wachstum, sozialen Fortschritt und mehr Demokratie:
Die EU ist eine Gemeinschaft unteilbarer und universeller Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Grundrechte. Die Mitgliedstaaten müssen nicht nur vor, sondern auch nach dem Beitritt zur EU die Einhaltung dieser Werte gewährleisten. Die bestehenden Mechanismen hierfür wollen wir ausbauen. Nur dann ist die EU als eine Wertegemeinschaft auch glaubwürdig. Wir werden uns insbesondere jeder Einschränkung der unabhängigen Justiz, der Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit entschieden entgegenstellen.
Die Kompetenzen des Europäischen Parlamentes müssen ausgeweitet werden, um das demokratische Defizit der EU zu beseitigen und die neue Wirtschaftsregierung demokratisch kontrollieren zu können. Dazu wollen wir dem Europäischen Parlament die vollständige Mitwirkung an der Wirtschafts- und Währungspolitik, das vollständige Budgetrecht, das Recht zur Wahl der einzelnen Kommissionsmitglieder und das Recht zur Gesetzesinitiative übertragen. Um die Handlungsfähigkeit des Europäischen Parlamentes sicherzustellen und mehr demokratische Teilhabe zu ermöglichen, unterstützen wir ein einheitliches europäisches Wahlrecht, das auch Sperrklauseln vorsehen sollte. Die EU-Kommission muss reformiert werden. Dazu gehört, der Kommission eine solche Struktur zu geben, dass sie handlungsfähig 79 und entscheidungsorientiert arbeiten kann. Die Aufstellung von gemeinsamen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten – wie zum ersten Mal bei der Europawahl 2014 geschehen – wollen wir dauerhaft verankern.
Wir wollen insgesamt die europäischen Parteien weiter stärken und die Möglichkeiten, sich in ihnen zu engagieren, erweitern. Die europäischen Parteien sind Träger einer transnationalen politischen Willensbildung. Um diesen wichtigen Aspekt europäischer Demokratie zusätzlich zu stärken, setzen wir uns auch dafür ein, dass die durch das Ausscheiden Großbritanniens freiwerdenden Sitze im Europäischen Parlament künftig durch Abgeordnete besetzt werden, die anhand transnationaler Listen gewählt worden sind.
Mittelfristig bedarf eine erneuerte Europäische Union einer Überarbeitung des Lissaboner Vertrages. Ziel ist eine europäische Verfassung, die sicherstellt, dass wirtschaftliche Integration mit sozialem Fortschritt und mehr Demokratie verbunden wird. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S. 95-101)
- unantastbares Recht auf Asyl
- Flüchtlinge innerhalb Europas verteilen
- Fluchtursachen bekämpfen
- Bürgerkriege eindämmen
- schnelleres Asylverfahren
- Schutz für alleinreisende Frauen, Schwangere und Frauen mit Kindern
- Sprachkurse, Bildungs- und Arbeitsangebote
- Punktesystem für Fachkräfte nach kanadischem Modell
Wir stehen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Das Recht auf Asyl muss auch in Zukunft unangetastet bleiben. Die brutalen Kriege und Menschenrechtskrisen der Welt zwingen weiter viele Menschen zur Flucht. Jeder zweite Flüchtling weltweit ist ein Kind! Mit einem Gesamtkonzept Migration gewährleisten wir Kontrolle und verhindern Überforderung.
Wir müssen die Fluchtursachen in den Heimatländern bekämpfen, die Außengrenzen Europas sichern und die Flüchtlinge innerhalb Europas solidarisch verteilen. Die anerkannten Flüchtlinge werden wir besser integrieren und die abgelehnten Flüchtlinge konsequenter in ihre Herkunftsländer zurückführen. Und wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das transparent und verständlich regelt, wer aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland einwandern kann und wer nicht.
Fluchtursachen bekämpfen:
Fluchtursachen wollen wir mit außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Initiativen bekämpfen. Es ist unser Ziel, zerfallende Staaten zu stabilisieren und Gewalt und Bürgerkriege einzudämmen. Wir setzen uns darum für eine neue Abrüstungsinitiative, den Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit, faire internationale Handelsbeziehungen und für die weltweite Achtung der Menschenrechte ein. Geflüchteten Menschen wollen wir frühzeitig dort helfen, wo sie sich zunächst in Sicherheit gebracht haben. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) benötigt dafür eine angemessene Ausstattung und kontinuierliche Finanzierung.
In der Flüchtlingspolitik sollen alle EU-Mitgliedsstaaten Verantwortung übernehmen. Wir wollen eine solidarische Verteilung der Aufgaben für Flüchtlingshilfe und eine einheitliche Entscheidungspraxis in der Europäischen Union. Wir akzeptieren nicht länger, dass sich einzelne Mitgliedstaaten dem gemeinsam beschlossenen europäischen Asylsystem verweigern. Wir werden es so weiter entwickeln, dass es den aktuellen Anforderungen gerecht wird.
Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, sollen Unterstützung erhalten, zum Beispiel für den Ausbau von Gemeindeeinrichtungen, Schulen oder für die medizinische Versorgung. Staaten, die sich verweigern, sollen deutliche Nachteile erfahren. Solidarität ist die Basis der europäischen Zusammenarbeit.
Um darüber hinaus Anreize für eine freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen zu schaffen, wollen wir finanzielle Unterstützung aus dem europäischen Haushalt für die Länder, die eine Hauptlast bei der Flüchtlingsaufnahme tragen. Wenn nicht nur die entstandenen Integrations- und Unterbringungskosten erstattet, sondern darüber hinaus Infrastrukturgelder zur Verfügung gestellt werden, die auch der Bevölkerung im Land zugutekommen, kann die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen gesteigert werden. Eine menschenwürdige Unterbringung muss dabei gewährleistet werden.
Die Außengrenzen müssen besser vor illegalen Grenzübertritten geschützt werden. Dieser Schutz ist die Bedingung für offene Grenzen und für Freizügigkeit im Inneren der EU. Wir wollen daher das Mandat und die Arbeit von Frontex, der europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, stärken. Dabei werden wir dafür Sorge tragen, dass die Gefahren für Flüchtende reduziert und das Gebot der Nicht-Zurückweisung eingehalten wird. Zusätzlich setzen wir uns für ein europäisches Seenotrettungsprogramm ein. Wir müssen das Sterben im Mittelmeer beenden.
Kooperationen und Abkommen mit Drittstaaten eröffnen uns Chancen, die illegale Migration nach Europa und Deutschland einzudämmen. Grundvoraussetzung für uns: Menschenrechte werden geachtet und die Genfer Flüchtlingskonvention wird eingehalten. Asylverfahren werden grundsätzlich weiterhin auf europäischem Boden durchgeführt. Entlang der Fluchtrouten wollen wir außerdem Anlaufstellen schaffen. Dort soll es nicht nur Nahrung und medizinische Versorgung geben, sondern auch Beratungsangebote. Wir wollen den Menschen aufzeigen, welche Alternativen es für sie zur Flucht gibt.
Wer illegale Migration eindämmen will, muss legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen. Gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) wollen wir verstärkt über feste Kontingente Schutzberechtigte kontrolliert in der EU aufnehmen. Sie sollen nach einem fairen Schlüssel auf alle EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Auf legalen Wegen, ohne kriminelle Schlepper, ohne die Risiken lebensgefährlicher Fluchtrouten und mit Vorrang für Frauen, Kinder und Familien. Bei diesem Verfahren stellen die Menschen vor der Einreise nach Europa den Antrag. So wird im Vorfeld auch die Identität festgestellt und eine Registrierung vorgenommen. So wissen wir, wer zu uns kommt. Und so können wir die Integration der geflüchteten Menschen besser vorbereiten, steuern und ordnen. Zugleich behalten wir die Kontrolle über die Einwanderung in unser Land.
Schnellere Asylverfahren, bessere Integration, konsequentere Rückführung:
Wir wollen gründliche und sorgfältige Asylverfahren. Zudem dauern die Verfahren immer noch viel zu lange. Unser Ziel bleibt, dass das zuständige Bundesamt besser und schneller entscheidet. Die dafür notwendigen Mittel werden wir weiterhin bereit stellen.
Integrationsarbeit mit Schutzsuchenden soll bereits in der Erstaufnahme mit Sprachkursen, der Vermittlung unserer Werte und Extremismusprävention beginnen. Das ungebrochen große Engagement von Bürgerinnen und Bürgern erfüllt uns mit Stolz. Wir wollen die Arbeit der Helferinnen und Helfer noch stärker unterstützen.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) sind über 50 Prozent der Geflüchteten Frauen und Kinder. Uns ist eine geschlechtergerechte Unterbringung wichtig. Alleinreisende Frauen, Schwangere und Frauen mit Kindern wollen wir schützen. Das gilt auch für alleinreisende Kinder und Jugendliche sowie schutzsuchende queere Menschen.
Für traumatisierte Flüchtlinge und ihre Kinder brauchen wir spezielle Hilfseinrichtungen. Familiennachzug und das Zusammenleben in der Familie tragen zu einer guten Integration bei. Deshalb werden wir die temporäre Aussetzung des Familiennachzugs nicht verlängern.
Viele Frauen und Mädchen leiden in ihren Herkunftsländern unter sexualisierter Gewalt, Zwangsheirat oder Genitalverstümmelung. Deshalb wollen wir geschlechtsspezifische Asylgründe besser anerkennen.
Anerkannte Asylbewerberinnen und Asylbewerber wollen wir noch schneller integrieren. Wir werden die verpflichtenden und berufsqualifizierenden Sprachkursangebote ausbauen, genauso wie Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsangebote. Wir erwarten, dass diese Angebote auch wahrgenommen werden. Wir wollen sicherstellen, dass insbesondere Frauen nicht durch fehlende Kinderbetreuung daran gehindert werden.
Wir wollen verhindern, dass die erforderliche Integrationsarbeit für Flüchtlinge zulasten der Kommunen geht. Wir werden unsere Städte und Gemeinden bei der Finanzierung dieser wichtigen Arbeit weiterhin unterstützen.
Wir wollen die Zahl der freiwilligen Rückkehrer unter den abgelehnten Asylbewerbern erhöhen. Um die freiwillige Ausreise weiter zu unterstützen, werden wir die Förderprogramme ausbauen. Staaten, die sich weigern, ihre Staatsbürger wieder aufzunehmen, müssen mit Konsequenzen rechnen – etwa im Bereich der Visaerteilung. Wir halten daran fest, dass Abschiebungen in Länder nicht erfolgen, in denen für die Menschen die unmittelbare Gefahr besteht, Opfer eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes zu werden. Wir werden keine Menschen in Perspektivlosigkeit und Lebensgefahr abschieben. Da die Sicherheitslage in Afghanistan kein sicheres Leben zulässt, werden wir bis auf weiteres keine Abschiebungen nach Afghanistan durchführen. Außerdem werden wir eine Altfallregelung schaffen, sodass Menschen, die seit mindestens zwei Jahren in Deutschland leben, hier nicht straffällig geworden sind und Arbeit haben oder zur Schule gehen, nicht abgeschoben werden.
Einwanderung als Chance nutzen – Einwanderung von Fachkräften steuern:
Wir stehen zum Recht auf Asyl. Richtlinie für die Aufnahme von Schutzsuchenden ist und bleibt allein die humanitäre und rechtliche Verantwortung Deutschlands. Der Schutz vor Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen darf niemals eine Frage des wirtschaftlichen Vorteils sein.
Für Menschen, die bei uns in erster Linie Arbeit suchen, ist das Asylsystem der falsche Weg. Mit einem Einwanderungsgesetz regeln wir transparent und verständlich, wer aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland einwandern darf. Die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte richtet sich nach den Interessen unseres Landes. Der Fachkräftemangel gefährdet unsere Wirtschaftskraft, unsere sozialen Sicherungssysteme und damit letztendlich auch unseren Wohlstand. Wir wollen deshalb ein Einwanderungsgesetz schaffen, mit dem wir den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland besser steuern können. Es ist wichtig, im weltweiten Wettbewerb um die klügsten und innovativsten Köpfe an der Spitze zu stehen.
Wir wollen ein flexibles und an der Nachfrage nach Fachkräften orientiertes Punktesystem nach kanadischem Modell einführen. Dabei werden Kriterien wie berufliche Abschlüsse, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Alter und Integrationsfähigkeit berücksichtigt. Wer ausreichend fachliche Qualifikationen und ein Jobangebot hat, kann nach Deutschland einwandern.
Dabei werden wir durch geeignete Maßnahmen die Chancengleichheit von Männern und Frauen sicherstellen. Wie viele qualifizierte Fachkräfte pro Jahr über das Punktesystem in unser Land kommen können, soll flexibel über eine Quote gesteuert werden. Die Quote orientiert sich an der Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Sie wird jedes Jahr von einer unabhängigen Expertenkommission festgelegt. Sowohl für potenzielle Einwanderinnen und Einwanderer als auch für die Bürgerinnen und Bürger wird so transparent dargestellt, wie Erwerbsmigration in Deutschland geregelt ist.
Zudem wollen wir künftig die Vielzahl bestehender Regelungen und Aufenthaltstitel bündeln, um mehr Übersichtlichkeit und Transparenz im deutschen Einwanderungsrecht zu schaffen. Wir prüfen die Möglichkeit, ob ein Wechsel von Asylsuchenen in das arbeitsmarktbezogene Aufenthaltsrecht umsetzbar ist. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S. 74-78)
- 15 000 neue Stellen bei der Polizei
- bessere Ausbildung der Polizisten im Kampf gegen Alltagskriminalität
- Einsatz von Videotechnik, wo nötig
- mehr Personal für Gerichte und Staatsanwaltschaft
- Kontrollen an Außengrenzen verstärken
- Anti-Terror-Zentrum gründen
- Frühwarnsysteme für Bundesverfassungsschutz
- Aufbau einer europäischen Staatsanwaltschaft
Sicherheit ist ein zentrales Bedürfnis der Menschen. Es ist die Aufgabe des Staates, für diese Sicherheit zu sorgen. Gefahren müssen erkannt, Verbrechen bekämpft, Straftäterinnen und Straftäter verfolgt werden. Dafür brauchen wir einen starken und handlungsfähigen Rechtsstaat. Nur Reiche können sich einen schwachen Staat leisten und sich etwa private Sicherheitsdienste kaufen, weshalb präventive Maßnahmen und eine aktive Sozialpolitik, die soziale Ungleichheit, bekämpft, fest zu unseren Sicherheitsbegriff dazu gehören.
Körperverletzungen, Vandalismus, Diebstähle und vor allem Wohnungseinbrüche beeinträchtigen die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Menschen. Wir wollen, dass sich unsere Behörden konsequent der Alltagskriminalität annehmen – durch mehr Prävention und effektive Strafverfolgung.
Die Gegner unserer offenen Gesellschaft haben sich neu formiert – in unterschiedlichen terroristischen und extremistischen Bewegungen. Wir benennen diese als das, was sie sind: eine Bedrohung für die westliche Welt, ein Angriff auf die liberale Demokratie. Deshalb werden wir konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Terror und extremistische Gewalt vorgehen. Dafür haben wir die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Jetzt kommt es auf die konsequente Umsetzung der Gesetze an.
Schutz und Sicherheit durch eine leistungsfähige Polizei und Justiz:
Wir wollen mehr Polizistinnen und Polizisten sichtbar auf unseren Straßen haben. Für eine bessere und schnellere Aufklärung sogenannter Alltagskriminalität wie Wohnungseinbrüche und Diebstahl brauchen wir mehr Ermittlerinnen und Ermittler. Dafür wollen wir die Polizei besser ausstatten: Mit mehr und gut ausgebildetem Personal. 69 Das betrifft auch andere Kriminalitätsfelder wie das organisierte Verbrechen, wo spezialisierte Ermittlerinnen und Ermittler zeitintensive polizeiliche Untersuchungen durchführen müssen.
Wir wollen 15.000 neuen Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern schaffen. Wo Videotechnik hilft, Gefahren vorzubeugen und Beweise zu sichern, soll sie eingesetzt werden. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind vorhanden. Die Beratungsangebote für Bürgerinnen und Bürger zum Schutz vor Kriminalität, die die Polizei bereits vielerorts anbietet, werden wir ausbauen. Für mehr Sicherheit soll eine bessere Zusammenarbeit der Behörden sorgen. Das Bundeskriminalamt wollen wir weiter in seiner zentralen Koordinierungsfunktion stärken. Außerdem setzen wir uns für einen Abbau der Überstunden bei der Bundespolizei ein.
Unsere Ermittlungsbehörden sollen für ihre Arbeit dem technischen Fortschritt entspre- chend mit moderner IT- und Kommunikationstechnologie ausgerüstet werden.
Unsere Polizei verdient Anerkennung und Respekt für ihre wichtige Arbeit. Das muss sich auch in einem modernen Dienstrecht beispielsweise mit einem Lebensarbeitszeitkonto widerspiegeln. Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten oder auch auf Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste werden hart sanktioniert.
Ein handlungsfähiger Staat setzt eine handlungsfähige Polizei und Justiz voraus. Daher sollen auch Gerichte und Staatsanwaltschaften personell und technisch besser ausgestattet werden. Ihre digitalen und interkulturellen Kompetenzen werden wir stärken. Wir wollen, dass Straftaten schnell aufgeklärt und konsequent geahndet werden und Bürgerinnen und Bürger ihre zivilrechtlichen Ansprüche zügig durchsetzen können.
Zudem setzen wir uns für eine bürgerfreundliche, vielfältige und noch transparentere Justiz ein, damit Recht bekommt, wer Recht hat. So erhöhen wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechtsstaat. Wir werden die Arbeiten an einer gemeinsamen Verlaufsstatistik von angezeigten Straftaten und tatsächlichen Verurteilungen weiter fortführen.
Auch der Zoll leistet wertvolle Arbeit bei der Bekämpfung von Kriminalität. Das gilt für die erfolgreichen Ermittlungen von kriminellem Waffenhandel genauso wie für die Bereiche Finanz- und Steuerbetrug und die Mindestlohnkontrolle. Der Zoll muss – besonders im Interesse des Handwerks – in die Lage versetzt werden, noch besser als bisher gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vorzugehen. Deshalb werden wir den Zoll stärken und zu einer effektiven Finanzpolizei des Bundes weiterentwickeln.
Eine Militarisierung der öffentlichen Sicherheit lehnen wir ab. Mit uns wird es, Es ist Zeit für mehr Sicherheit im Alltag 70 über das bereits zulässige Maß hinaus, keinen Einsatz der Bundeswehr als Hilfspolizei im Inland geben. Schutz vor Kriminalität wie auch vor Strafverfolgung sind Aufgaben der dafür ausgebildeten Profis der Polizei.
Terrorabwehr – mehr grenzübergreifende Zusammenarbeit und Prävention:
Mit einem Dreiklang aus Repression, Vorbeugung und Ausstiegshilfe haben wir die Basis geschaffen, um dem Extremismus langfristig zu begegnen. Der nächste Schritt muss eine stärkere Koordinierung in Deutschland und in Europa sein.
Wo es notwendig ist, verschärfen wir die Gesetze zur Bekämpfung von Terror und Gewalt. Allein mit Gesetzesverschärfungen werden wir aber nicht erfolgreich sein. Erst im Zusammenspiel von Kriminalitätsvorbeugung, Deradikalisierung, Stärkung des Zusammenhalts der Gesellschaft und der Arbeit von Polizei, Justiz und Nachrichten- diensten entsteht mehr Sicherheit.
Die Datensysteme der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern werden wir unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben vereinheit- lichen. Auch die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz werden wir zur Gefahrenabwehr verbessern. Kriminelle und Terroristen dürfen nicht in die Europäische Union gelangen. Das heißt: die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengenraums verstärken und das Grenzkontrollsystem der Schengen-Mitgliedstaaten effektiv umsetzen. Darüber hinaus wollen wir die Luftsicherheit und die Kontrollen an Flughäfen verbessern und dafür auch strukturell verändern.
Das europäische Polizeiamt (Europol) und die europäische Grenzschutzagentur (Frontex) wollen wir stärker bei der Terrorismusbekämpfung einbeziehen.
Mit der Initiative zum Aufbau einer europäischen Staatsanwaltschaft werden wir dafür sorgen, dass in der EU künftig Straftaten über Staatsgrenzen hinweg effektiver verfolgt werden können. Eine engere Kooperation der Sicherheitsbehörden auf euro- päischer Ebene ist dringend notwendig. Wir fordern nach dem Vorbild des Gemein- samen Terrorismusabwehrzentrums in Deutschland ein Anti-Terrorzentrum auf europäischer Ebene, in dem ein Austausch aller Sicherheitsbehörden stattfindet.
Ausländerinnen und Ausländer, die schwere Straftaten begehen, sollen nach Verbü- ßung ihrer Strafe unverzüglich abgeschoben werden. Die Möglichkeit zur Abschiebung straffälliger Ausländerinnen und Ausländer haben wir bereits erleichtert.
Wir wollen eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Hasspredigern und Islamistinnen und Islamisten durchsetzen. Ein Großteil fundamentaler Islamisten in Deutsch- land radikalisiert sich hier, in unserem Land. Wir werden extremistische islamistische Moscheen schließen und ihre Finanzierung unterbinden.
Mit den vielen nicht-radikalen Moscheegemeinden und islamischen Verbänden werden wir weiter zusammenarbeiten. Wir stärken die gute Beratungs- und Präventionsstruktur vor Ort und sorgen frühzeitig dafür, dass sich junge Menschen in unserem Land nicht radikalisieren. Hasspropaganda im Netz werden wir durch alternative Botschaften entgegentreten.
Kampf gegen Rechtsextremismus:
Angriffe auf unsere freie Gesellschaft drohen auch von Nationalisten: Rechtsextremistische Übergriffe und Anschläge haben in den letzten Jahren bedrohlich zugenommen. Damit wird Angst und Schrecken verbreitet bei den bedrohten Menschengruppen. Auch von rechtsextremistischen Gruppen und Einzelpersonen geht eine terroristische Gefahr aus, der wir entschlossen begegnen werden. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kämpfen seit über 150 Jahren für Toleranz und gegen Rassis- mus, Rechtsextremismus, Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit.
Eine wichtige Erkenntnis aus dem NSU-Verfahren ist, dass Sicherheitsbehörden be- sonders sensibel auf antisemitische, rassistische und sonstige menschenverachtende Einstellungen in den eigenen Reihen reagieren müssen. Das gilt auch für die Bundeswehr. Wir werden sie dabei mit geeigneten Programmen unterstützen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund in Zukunft besser erfasst und statistisch ausgewertet wird. Die im Aufenthaltsgesetz vorgesehen Regelungen für Opfer von Straftaten müssen eingehalten werden, damit sie zu ihrem Recht kommen und Straftäterinnen und Straftäter für ihre Taten verurteilt werden können.
Neben der konsequenten Strafverfolgung wollen wir auch die Präventionsarbeit ausweiten. Bereits in den vergangenen Jahren haben wir die Mittel im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ mehr als verdreifacht. Diesen Weg der Vorbeugung führen wir fort. Zu einer umfassenden Strategie gegen gewaltbereite Rechtsextremisten gehört Deradikalisierung. Darum werden wir mit einem Gesetz zur Demokratieförderung und Extremismusprävention die Strukturen der Präventionsarbeit langfristig sichern. Darüber hinaus werden wir die Empfehlungen des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus aufgreifen und in der Präventionsarbeit umsetzen.
Reform der Nachrichtendienste:
Wir benötigen rechtsstaatlich legitimierte, leistungsfähige Nachrichtendienste mit umfassender parlamentarischer Kontrolle. Dabei soll das Bundesamt für Verfassungsschutz als Frühwarnsystem für unsere freiheitliche und demokratische Ge- sellschaft funktionieren. Den Reformprozess des Bundeamtes werden wir fortsetzen. Die aktuellen Gefährdungslagen werden wir berücksichtigen. Wir haben den Bundes- nachrichtendienst reformiert und durch mehr Transparenz und Kontrolle endlich Es ist Zeit für mehr Sicherheit im Alltag aus der rechtlichen Grauzone herausgeholt. Die Auslandsaufklärung haben wir auf eine eindeutige Rechtsgrundlage gestellt und das Parlamentarische Kontrollgremium erheblich gestärkt. An unserer Linie halten wir fest und legen hierfür den Abschlussbe- richt des NSA-Untersuchungsausschusses zugrunde.
Moderner Katastrophenschutz:
Wir haben in Deutschland ein funktionierendes Hilfesystem für Katastrophen. Bund, Länder und Kommunen arbeiten hier Hand in Hand. Herzstück ist das Engagement der vielen Ehren- und Hauptamtlichen bei den Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk und den Hilfsorganisationen. Wir wollen das breite ehrenamtliche Engagement erhalten.
Deshalb stärken wir das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und das Technische Hilfswerk. Der Bund soll seine bestehende Verantwortung für den Katastrophenschutz verstärkt wahrnehmen, in Ergänzung zu den Aufgaben der Länder. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S.68-72)
- IT-Sicherheitsgesetz ausbauen
- Effektivere Spionage-Abwehr der Bundesnachrichtendienste
- Bürger sollen sich an Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wenden können
- neues Gütesiegel schaffen: Algorithmen-TÜV
- Gegen Hasskriminalität und Fake News
- Polizei und Justiz sollen auf Kontrolle von Social Media geschult werden
- Berichtspflicht für Betreiber von Online-Plattformen
- Androhung von Geldbußen bei Nichtbeachtung
Straftaten im und aus dem Netz bekämpfen:
Die Kriminalität im Internet steigt rasant. Von der Online-Erpressung mit Computerviren über Kreditkartenbetrug bis zu Kinderpornographie und Waffenhandel im „Darknet“ reicht das Spektrum der Cyberkriminalität.
Das Internet ist ein freier, aber kein rechtsfreier Raum. Wir wollen das IT-Si- cherheitsgesetz fortschreiben und weiterentwickeln, um den neuen Gefährdungen angemessen zu begegnen. Die Sicherheitsbehörden werden wir personell und tech- nisch besser ausstatten und mehr fachliche Expertise hinzuziehen. Es ist notwendig, Forschung und Entwicklung von IT-Sicherheitstechnik zu fördern und die Ausbildung von Fachkräften für IT-Sicherheit zu verstärken, um technologische Kompetenz und digitale Souveränität zu erhalten.
Die Spionageabwehr unserer Nachrichtendienste wollen wir technisch und rechtlich in die Lage versetzen, effektiver gegen Cyberangriffe und Spionage fremder Nachrichtendienste vorzugehen.
Wir werden das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ausbauen und in seiner neutralen Rolle und Beratungsfunktion stärken: Das BSI soll für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Behörden zum Dienstleister werden, indem es sichere Hard- und Software zertifiziert sowie über Cyberangriffe, digitale Sicherheitsrisiken und entsprechende Schutzmöglichkeiten informiert. Die Hersteller und Anbieter digitaler Produkte und Dienstleistungen müssen Sicherheitslücken bekanntgeben und diese schnellstmöglich beheben. Wir werden eine eindeutige und faire Haftungskette auch für digitale Produkte und Dienstleistungen sowie ein Gütesiegel für IT-Sicherheit schaffen. Ein sogenannter Algorithmen-TÜV soll dafür sorgen, dass niemand durch softwaregestützte Entscheidungen diskriminiert wird oder zu Schaden kommt.
Einfache und sichere Lösungen für die elektronische Identifizierung und Verschlüsselung wollen wir für jedermann verfügbar machen. Sensible Daten müssen grundsätz- lich verschlüsselt versendet werden, gerade in der öffentlichen Verwaltung. Wir wollen durch Zertifizierung, Zulassungsregeln, Meldepflichten und bessere Produkthaftung eine sichere IT-Infrastruktur erreichen.
Darüber hinaus wollen wir der Verbreitung von Hasskriminalität und so genann- ten Fake News entgegenwirken. Sie sind eine große Gefahr für das friedliche Zusammenleben und für die freie und demokratische Gesellschaft. Am Anfang stehen die Worte, dann folgen die Taten. Wer im Internet kriminelle Parolen veröffentlicht und zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden, Ausländer und Ausländerinnen oder andere aufruft, muss konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Die Verbreitung rechts- widriger Inhalte wie Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung in den sozialen Netzwerken soll besser und schneller verfolgt werden. Daher setzen wir uns für eine verbesserte Ausbildung und Ausstattung der Polizeibehörden und Justiz in diesem Bereich ein.
Auch die Anbieter von sozialen Netzwerken müssen in die Verantwortung ge- nommen werden. Deshalb führen wir eine Berichtspflicht für Anbieter zum Umgang mit Hinweisen über rechtswidrige Inhalte sowie einheitliche Standards des Beschwer – demanagements ein. Vor allem müssen Anbieter aber effektiv mit Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten. Hierzu werden wir Kontaktstellen im Inland sowie kurze Reaktionsfristen festlegen. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, soll mit empfindlichen Geldbußen bestraft werden. Parallel zu nationalen Schritten setzen wir uns für europaweite und internationale Regeln in diesem Kontext ein. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S. 73-74)
- Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre
- Wahlrecht für Behinderte
- Teilnehmerzahl für öffentliche Petitionen senken
- Bildungsurlaub in allen Bundesländern einführen
- Aktionsplan Gleichstellung
- Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern
- Beschäftigte in kleinen und mittleren Betrieben einbinden
- Mehr Frauen für MINT-Berufe
- Mehr Führungsaufgaben in Teilzeit
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes stärken
- Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
- Sexuelle Identität weiter ausbauen
- Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen
- Rechte für Pflegekinder stärken
- Bedeutung der Vorsorgevollmacht ausbauen
- Barrierefreiheit am Arbeitsplatz
- Werberat gegen Sexismus
- Bessere Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge
- Bessere Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen
- Dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge mit Studienabschluss in Deutschland
- Islamischen Religionsunterricht in Deutsch an staatlichen Schulen fördern
Abschottung oder Weltoffenheit? Fortschritt und Gerechtigkeit oder Rückschritt und Ausgrenzung? Darum geht es in den nächsten Jahren. Wir wollen ein modernes und weltoffenes Deutschland – mit einer Gesellschaft, die zusammenhält, und in der wir in Frieden und Freiheit zusammenleben – über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg.
Es hat viel Kraft gekostet, Deutschland zu dem demokratischen Land zu machen, das es heute ist. Und es wird auch weiter Kraft kosten, das zu erhalten, auszubauen und zu verbessern. In der Gesellschaft, in der Politik, in der Kultur und in der Wirtschaft. Fortschritt heißt für uns: Die offene Gesellschaft festigen. Wir wollen echte Gleichstellung – unabhängig von Geschlecht, Religion, Hautfarbe, Herkunft und geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung. Menschen mit und ohne Behinderung sollen die gleichen Chancen haben. Wir schreiben keine Lebensmodelle vor, sondern unterstützen Menschen, so zu leben, wie sie es sich wünschen. Offenheit bedeutet Toleranz und Vielfalt.
Die nationalen Minderheiten in Deutschland sind ein Teil dieser Vielfalt. Ihre Traditionen, ihre Sprachen und deren Anwendungen gilt es zu schützen. Wir wollen Neuankömm- lingen ermöglichen, Teil unserer Gesellschaft zu werden. Die ersten 20 Artikel unse- res Grundgesetzes sind für uns die Basis unseres gemeinsamen Zusammenlebens. Gegen die Feinde der offenen Gesellschaft werden wir uns mit aller Entschlossenheit behaupten.
Demokratie und Engagement:
Wir machen die repräsentative Demokratie wieder attraktiver und verteidigen sie mit Leidenschaft gegen rechte Antidemokratinnen und Antidemokraten. Deren pauschale Kritik an politischen Repräsentantinnen und Repräsentanten wird immer aggressiver und ihre Verschwörungstheorien immer gefährlicher. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.
Wahlkämpfe und Wahlen sind Festtage der Demokratie. Dieses demokratische Grundverständnis wollen wir erneuern. Wählen zu gehen gehört zurück ins Alltags- leben. Dazu brauchen wir öffentliche Wahlaufrufe, Aktionstage für die Demokratie genauso wie die Verbesserung der Briefwahl, die Erleichterung der Stimmabgabe für Deutsche im Ausland, verlängerte Öffnungszeiten von Wahllokalen („Wahlwochenenden“) und mobile Wahlstationen.
Wir setzen uns auch für die Ausweitung des Wahlrechts ein – beispielsweise für dauer – haft ansässige Drittstaatsangehörige auf kommunaler Ebene. Auch eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre stärkt unsere Demokratie. Wir wollen die politische Bildung als Angebot für alle ausbauen und stärken.
Teilhabe heißt auch Beteiligung am politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben. Auch an zivilgesellschaftlichen Engagementmöglichkeiten und an politischen Entscheidungsprozessen! Das schließt insbesondere das Recht ein, uneingeschränkt an demokratischen Wahlen teilnehmen zu können. Die Wahlrechtsausschlüsse von Menschen mit Behinderung wollen wir abschaffen.
Zur Unterstützung der parlamentarischen Demokratie wollen wir direkte Demokratiebeteiligung auf Bundesebene stärken. Das Petitionsrecht beim Deutschen Bundestag werden wir weiterentwickeln: durch barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderungen, durch bessere Einbindung von Kindern und Jugendlichen, durch mehr öffentliche Ausschusssitzungen. Wir wollen auch eine Absenkung des Quorums für öffentliche Petitionen.
Unsere Demokratie lebt von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Gesellschaft einsetzen. Die Bereitschaft dafür ist hoch. Das zeigt auch der Einsatz vieler tausend freiwilliger Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingshilfe. Wir würdigen das große Engagement vieler Freiwilliger, aber auch von Menschen in Verwaltung, Wohlfahrtsver – bänden, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Initiativen und Vereinen, die sich für neu Hinzugezogene einsetzen und die gegen Rassismus aufstehen. Wir danken ihnen und erkennen ihre Arbeit an.
Für viele Menschen ist die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und bürgerschaftlichem Engagement jedoch schwierig. Wir wollen für alle Menschen Zeit schaffen, damit sie sich auch einbringen können. Es ist wichtig, dass Frauen im bürgerschaftlichen Engagement in allen Bereichen und auf allen Ebenen gleichberechtigt vertreten sind.
Wir werden gesetzliche Regelungen zum Bildungsurlaub in allen Bundesländern auf den Weg bringen und mit einem Bundesgesetz zur Freiwilligenförderung verbinden. Auch die Angebote für zivilgesellschaftliches Engagement älterer Menschen müssen ausgebaut werden. Die Altersgrenzen beim bürgerschaftlichen Engagement, beispielsweise als Schöffe oder Schöffin, werden wir gezielt überprüfen und abbauen. Die wertvolle Arbeit der ehrenamtlich tätigen Streitschlichter und Schiedsleute werden wir weiter fördern.
Bürgerschaftliches Engagement muss wertgeschätzt werden. Die finanziellen Mittel für die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements werden wir deutlich aufstocken und strukturell absichern. Wir wollen, dass dafür eine Deutsche Engagementstiftung unter Einbeziehung von Vertreterinnen und Vertretern aus Kultur, Bildung, Freier Wohlfahrtspflege und Rettungs- und Hilfsdiensten gegründet wird. Über die Stiftung kann die Zivilgesellschaft, darunter Vereine, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, über den Einsatz der Mittel für die strukturelle Förderung des Engagements mitentscheiden. Wir wollen ein Gemeinnützigkeitsrecht, das den Anforderungen an zivilgesellschaftliche Organisationen Rechnung trägt. Daher werden wir gesellschaftspolitisch bedeutsame Bereiche in den Katalog gemeinnütziger Zwecke aufnehmen. Die Jugendfreiwilligendienste und den Bundesfreiwilligendienst werden wir finanziell weiter aufstocken.
Die Selbstverwaltung ist ein bewährtes Grundprinzip der Sozialversicherungen, das sich auf das Engagement von Ehrenamtlichen stützt. Wir wollen die Selbstverwaltung stärken und gemeinsam mit den Sozialpartnern die Verfahren der Sozialwahlen modernisieren.
Die Wohlfahrtspflege ist ein wichtiger Akteur der Zivilgesellschaft und für uns ein wichtiger Partner. In den Einrichtungen und Diensten der Wohlfahrtspflege sind rund 1,6 Millionen Menschen hauptamtlich beschäftigt; schätzungsweise 2,5 bis 3 Millionen Menschen leisten ehrenamtlich engagierte Hilfe in Initiativen, Hilfswerken und Selbsthilfegruppen. Kirchen, Religionsgemeinschaften und Verbände leisten hier unverzichtbare Arbeit.
Für Offenheit und Transparenz politischer Prozesse:
Wir brauchen mehr Offenheit bei politischen Entscheidungen. Die Transparenz des staatlichen Handelns muss verbessert werden. Die Daten der öffentlichen Verwaltung sollen der Bevölkerung grundsätzlich zur Verfügung stehen, wenn keine gewichtigen Gründe dagegen sprechen. Wir wollen die Informationsfreiheit stärken und das Informationsfreiheitsrecht zu einem Informationsfreiheits- und Transparenzrecht weiterentwickeln. Offene Daten (Open Data) sollen kostenfrei bereitgestellt werden. Damit kann ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung innovativer Technologien und neuer Geschäftsmodelle geleistet werden.
Wir wollen eine „exekutive Fußspur” einführen. Hierdurch wollen wir für alle offenle-gen, welchen Beitrag externe Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter bei der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs geleistet haben. Damit werden Entscheidungs-prozesse nachvollziehbar. Auch ein verpflichtendes Lobbyregisterbeim Deutschen Bundestag kann dazu beitragen. Wir werden es auf gesetzlicher Grundlage einrichten. Die Öffentlichkeit erhält darüber Auskunft, welche Interessenvertretung mit welchem Budget für wen tätig ist.
Mehr Transparenz heißt auch, dass alle Bundestagsabgeordneten ihre Einkünfte aus Nebentätigkeiten vollständig auf Euro und Cent offenlegen sollen. Für Parteispenden wollen wir künftig eine jährliche Höchstgrenze von 100.000 Euro pro Spend-erin oder Spender einführen. Zudem wollen wir Sponsoring im Parteiengesetz regeln. Die Einnahmen daraus sollen im Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden.
Gleichberechtigung und Gleichstellung:
Seit mehr als 150 Jahren ist die Gleichstellung von Frauen und Männern ein zentrales Ziel unserer Politik. Sie ist Voraussetzung für eine zukunftsfähige, moderne und gerechte Gesellschaft. Wir wollen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männernin allen Bereichen und ihnen ermöglichen, ihre Lebensentwürfe zu verwirklichen.
Eine moderne Gleichstellungspolitik ist eng mit guter Politik für Familien verbunden. Denn solange Familienaufgaben nach wie vor überwiegend von Frauen übernommen werden, sind es Frauen, die aufgrund ihres familiären Engagements berufliche Nachteile erfahren. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft.Sie ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereichen durchziehen muss: Familienpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik, Bildungs- und Rechtspolitik – aber auch Haushalts- und Finanzpolitik. Dies schließt eine geschlechtergerechte Haushaltssteuerung mit ein.
In einem Aktionsplan Gleichstellung werden wir alle gleichstellungspolitischen Maß-nahmen bündeln, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verwirklichen. Wir werden systematisch beobachten, messen und überwachen, ob die Ziele des Aktionsplans eingehalten werden (Monitoring). Um die Gleichstellungspolitik fortlaufend zu unterstützen, werden wir eine Stelle einrichten, die berät und Service anbietet. Und die dazu beiträgt, Ergebnisse für die breite Öffentlichkeit aufzubereiten (Beratungs-, Service- und Transferstelle). Wir wollen, dass Frauen und Männer im Berufsleben gleichgestellt sind.
Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt beenden:
Mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen sind in Teilzeit beschäftigt. Die Be-nachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt führen im Lebensverlauf zu einer Rentenlücke von 54 Prozent. Das wollen wir nicht hinnehmen. Deshalb wollen wir existenzsichernde Arbeit anstelle prekärer Beschäftigung. Wir wollen das Teil-zeit- und Befristungsgesetz reformieren – vor allem hinsichtlich der Regelungen zum Recht auf befristete Teilzeit (Rückkehrrecht zur alten Arbeitszeit) und der Teilhabe an Qualifizierungsmaßnahmen.
Dazu gehört auch, dass die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern beendet wird. Frauen erhalten im Durchschnitt 21 Prozent weniger Lohn als Männer. Wir haben in einem ersten Schritt mit einem Transparenzgesetz dieser Lohnun-gerechtigkeit den Kampf angesagt. Daneben werden wir gemeinsam mit den Tarifpartnern die sozialen Berufe aufwerten, in denen vor allem Frauen arbeiten.
Dazu zählen die Berufsfelder Gesundheit, Pflege, Betreuung und frühkindliche Bildung. Wir wollen die verschulten Berufe möglichst bald in das duale System mit Ausbildungsvergütung und Schulgeldfreiheit beziehungsweise in duale Studiengänge überführen.
In einem zweiten Schritt wollen wir das Transparenzgesetz zu einem Entgeltgleichheitsgesetz mit Verbandsklagerecht weiterentwickeln. Wir werden dabei Beschäftigte in kleinen und mittleren Betrieben einbeziehen. Denn hier sind die meisten Frauen beschäftigt. Wir werden die Transparenz mit Hilfe umfassender Auskunftsansprüche verbessern. Wir wollen außerdem verpflichtende Prüfverfahren der Entgeltstrukturen nach vorgegebenen Kriterien auch schon in Unternehmen ab 50 Beschäftigen einführen.
Wir motivieren junge Menschen, Berufe zu ergreifen, die nicht den hergebrachten Ge-schlechterklischees entsprechen. Es ist für alle ein Gewinn, wenn sich mehr Frauen für MINT-Berufe(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) oder einen Handwerksberuf entscheiden und mehr Männer in den Sozial- und Erziehungs-berufen arbeiten. Dazu fördern wir frühzeitige Informationen in den Schulen sowie eine Berufs- und Studienberatung, die Mädchen und Jungen die Vielfalt der Berufe und ihre Zukunftsperspektiven aufzeigt.
Mit der Frauenquote für Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst haben wir einen Kulturwandel in der Arbeitswelt eingeleitet. Führungsgremien sollen jeweils zu 50 Prozent mit Frauen und Männern besetzt sein.Das ist unser Ziel. Dafür benötigen wir eine Gesamtstrategie Frauen in Führungspositionen – und zwar für alle Bereiche: Wirtschaft und Verwaltung, Medien, Kultur und Wissenschaft. Dem öffentlichen Dienst kommt hierbei eine Vorbildfunktion zu. Wir werden daher die Frauenquote weiter steigern und ihren Geltungsbereich auf alle Unternehmen, auf Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die Sozialversicherungen und auf alle Gremien wie Vorstände und Aufsichtsräte ausdehnen. Darüber hinaus wollen wir mit einem Gleichstellungsgesetz die Berufs- und Aufstiegschancen von Frauen in der Privatwirtschaft verbessern. Das ist auch im Interesse der Unternehmen, die auf Kompetenz und Vielfalt in den Führungsebenen angewiesen sind. Die Übernahme von Führungsaufgaben auch in Teilzeit muss selbstverständlicher werden.
Wir wollen, dass Frauen und Männer auch in Parlamenten auf allen Ebenen gleich-berechtigt beteiligt sind. Wir werden verstärkt Frauen ansprechen und für politische Beteiligung gewinnen.
Wir wollen die wissenschaftliche Aufarbeitung der Frauenbewegung unter Einbeziehung der Frauenarchive weiter vorantreiben, ihre Bestände digital sichern und sie der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Leben frei von Gewalt und Diskriminierung:
Wir kämpfen gegen jede Form menschenverachtenden Verhaltens und gegen Gewalt. Die Rechte von Opfern häuslicher oder sexueller Gewalt wollen wir weiter stärken. Die Ratifizierung der „Istanbul-Konvention“ (Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) ist ein Meilenstein. Als weiteren Schritt fordern wir einen dritten Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (nach 1999 und 2007). Wir brauchen einen in-dividuellen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für die Opfer und ihre Kinder. Das gilt auch für geflüchtete Frauen und Mädchen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Das Hilfesystem aus Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Schutzeinrichtun-gen soll ausgebaut und weiterentwickelt werden.
Mit einem Bundesförderprogramm setzen wir die erforderlichen Maßnahmen im Hilfesystem in Gang. Um Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den Ansätzen zu bekämpfen, brauchen wir zudem ein Präventionsprogramm. Eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene soll die Umsetzung der Istanbul-Konvention überwachen.
Wir nehmen auch Gewalt gegen Männer sehr ernst. Auch Männer, die Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt geworden sind, benötigen Hilfsangebote. Wir werden daher entsprechende Maßnahmen in den Aktionsplan aufnehmen.
Damit Opfer von Kriminalität nicht erneut traumatisiert werden, haben wir den Schutz und die Rechte von Opfern in den vergangenen Jahren konsequent ausgebaut und dafür gesorgt, dass der Opferschutz seinen festen Platz in der Strafprozessordnung hat. Mit der Neuregelung der psychosozialen Prozessbegleitung haben wir einen weiteren Meilenstein im Opferschutz gesetzt, um den Opfern schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten die emotionale und psychologische Unterstützung zu geben, die sie benötigen. Dies wollen wir weiter verstetigen.
Wir sind zudem besorgt über Berichte über Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, Ältere oder Pflegebedürftige. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden wollen wir Konzepte entwickeln, die Übergriffen und Gewalt Einhalt gebieten.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist vor elf Jahren in Kraft getreten. Wir werden es weiterentwickeln. Hierfür stärken wir die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und weiten den Anwendungsbereich des AGG auf staatliches Handelnaus. Zudem wollen wir ein Verbandsklagerecht im AGG verankern.
Tagtäglich werden wir mit überkommenen Rollenbildern, mit Sexismus in Sprache, Medien und Werbung konfrontiert. Wir werden dem Sexismus den Kampf ansagen. Deshalb wollen wir sicherstellen, dass der Werberat konsequent gegen Sexismus vorgeht, und die bisherigen Instrumente evaluieren. Wenn notwendig, werden wi gesetzliche Maßnahmen ergreifen.
Bei Bewerbungen kommt es zu unbewussten Diskriminierungen, etwa aufgrund des Geschlechts, Aussehens, Alters oder eines Migrationshintergrundes. Anonymisierte Bewerbungen sind ein Weg, um Fairness im Bewerbungsverfahren herzustellen.
Vielfältige Lebensrealitäten anerkennen:
Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Die Gleichheitsrechte in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz müssen um die sexuelle Identität erweitert werden. Initiativen gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie werden wir verstärken. Wir werden die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern und gewährleisten, dass sie selbst über ihr Leben bestimmen können. Das betrifft medizinische, gesundheitliche, soziale und rechtliche Aspekte. Wir werden daher das Transsexuellengesetz und weitere Gesetze reformieren.
Wir unterstützen Familien in ihrer Vielfalt. Das Verständnis von Familie in Deutsch-land wird breiter: Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Wir werden daher dieEhe für gleichgeschlechtliche Paareöffnenund wollen die Ehe für alle. Das schließt das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein. Wir wollen ein modernes Familienrecht, das die Vielfalt von Familien widerspiegelt. Familien mit verheirateten, unverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Paaren; getrennt, gemeinsam oder allein Erziehende; Stieffamilien, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Pflegefamilien. Wir sorgen für Klarheit in all diesen Konstellationen, indem Rechte und Pflichten eindeutig definiert werden. Das Wohl der Kinder muss dabei immer im Mittelpunkt stehen.
Wir setzen uns für mehr Partnerschaftlichkeit in der Betreuung von Kindern ein. Wir wollen es deshalb Eltern erleichtern, sich auch nach einer Trennung oder Scheidung gemeinsam um ihre Kinder zu kümmern.
Die Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und der wissenschaftliche Fortschritt in der Reproduktionsmedizin führen dazu, dass die biologischen Eltern immer häufiger nicht die sozialen Eltern sind. Deshalb setzen wir uns für ein modernes Abstammungsrecht ein,das diesen neuen Konstellationen Rechnung trägt.
Auch das Vormundschaftsrecht muss reformiert werden. Das Wohl des Kindes muss im Vordergrund stehen. Wo in der Vergangenheit die Vermögenssorge überbetont wurde, soll – im Interesse der betroffenen Kinder – die Verantwortung des Vormunds für die Erziehung, Fürsorge und Entwicklung des Kindes stärker hervorgehoben wer-den. Wir werden die Rechte von Pflegekindernstärken. Denn für Kinder, die in einer Pflegefamilie leben, sind Kontinuität und Sicherheit besonders wichtig.
Menschen können durch Krankheit, Unfall oder Behinderung handlungs- und entscheidungsunfähig werden. Eine moderne Gesellschaft braucht für diesen Fall verlässliche Regelungen. Dazu wollen wir die Vorsorgevollmacht stärker ins Bewusstsein bringen. Denn mit ihr können Bürgerinnen und Bürger selbst bestimmen, wer im Notfall stellvertretend für sie ihre Angelegenheiten regeln darf. Die Anordnung einer Betreuung muss immer das letzte Mittel bleiben. Deshalb werden wir den Grundsatz der Erforderlichkeit im Betreuungsrecht stärken. Betreute müssen sich darauf verlassen können, dass für sie ein guter Betreuer bestellt wird, der ihr Selbstbestimmungsrecht respektiert.
Inklusive Gesellschaft:
Für die nächste Generation soll das tägliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen selbstverständlich sein. Eine menschliche Gesellschaft muss eine inklusive Gesellschaft sein. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wollen wir darum weiter voranbringen.
Das inklusive Leben muss von Anfang an gelernt werden und erlebbar sein; von der Kita über die Grundschulen und weiterführenden Schulen bis zu weiteren Bildungseinrichtungen. Wir unterstützen inklusive Bildung entlang der gesamten Bildungsbiographie. Insbesondere auch dadurch, dass wir die notwendigen räumlichen, technischen und personellen Ressourcen verbessern.
Die gesetzliche Grundlage für die Leistungen zur Teilhabe an der Gesellschaft hat sich mit dem Bundesteilhabegesetz bereits deutlich verbessert. Die Person und ihre Selbstbestimmung stehen im Mittelpunkt. Daran wollen wir anknüpfen und die Teilhabeleistungen stetig weiterentwickeln. Wir wollen, dass Betroffene ohne Diskriminierung und ohne großen Aufwand Zugang zu diesen Leistungen bekommen. Wir treten dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen alle Leistungen der Pflegeversicherung erhalten – unabhängig davon, wie sie wohnen.
Wir streben einen inklusiven Arbeitsmarkt an, der allen Menschen eine Beschäftigung entsprechend ihren Fähigkeiten ermöglicht und ihnen die dafür notwendige Unterstützung bietet. Alle Menschen sollen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt faire Perspektiven haben. Lohndiskriminierung von Menschen mit Behinderung wollen wir vermeiden.
Der Übergang von der Schule zur Ausbildung und zum Beruf soll ebenso verbessert werden wie der Weg von Werkstätten hin zum allgemeinen Arbeitsmarkt. Dazu zählen auch generelle Regelungen zur Barrierefreiheit am Arbeitsplatz für alle Arbeitgeber. Das Angebot der Inklusionsbetriebe und Werkstätten werden wir im Hinblick auf einen inklusiven Arbeitsmarkt weiterentwickeln. Eine wichtige Funktion bei der Verwirklichung eines inklusiven Arbeitsmarktes nehmen dabei die Schwerbehindertenvertretungen Es ist Zeit für eine offene und moderne Gesellschaft ein, deren Rechte wir weiter stärken wollen. Dies betrifft insbesondere die Anhörungs- und Beteiligungsverpflichtung bei der Einstellung von Menschen mit Behinderungen, bei Abmahnungen und Aufhebungsverträgen.
Wir treten dafür ein, dass die pauschalen Steuerfreibeträge für Menschen mit Behinderungen im Einkommenssteuergesetz angepasst werden.
Das gesellschaftliche Leben muss auf allen Ebenen für Menschen mit Behinderung inklusiv gestaltet werden. Dabei sind Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen unverzichtbar und brauchen bessere gesetzliche Bestimmungen. Wir werden die Kommunen dabei unterstützen, inklusive Sozialräume zu schaffen. Die Kinder- und Jugendhilfe soll für alle da sein – für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behin- derung. Sie muss entsprechend ausgestattet werden. Wir wollen in der Kinder- und Jugendhilfe alle Leistungen zusammenführen, um die Betreuung von Familien aus einer Hand zu gewährleisten.
Integration und Teilhabe – die deutsche Einwanderungsgesellschaft gestalten:
Deutschland ist seit langem ein Einwanderungsland. Das verlangt eine umfassende Integrationspolitik. Dabei stellen wir uns einer doppelten Integrationsaufgabe: zum einen der Integration der Menschen, die einwandern oder zu uns fliehen. Und zum anderen der Aufgabe, den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu wahren. Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft, die auf gemeinsamen Werten und Normen beruht. Grundlage für alle ist das Grundgesetz. Gleiche Chancen auf Teilhabe für alle ist unser Leitbild.
Niemand darf wegen seiner Einwanderungsgeschichte oder seines kulturellen oder religiösen Hintergrundes schlechtere Chancen haben. Das heißt auch: Allen Kindern soll der Besuch einer Kita ermöglicht werden. Kinder, die in der Kita waren, haben von vornherein bessere Startchancen in der Schule. Schule und Bildung sind der Schlüssel zu einer Zukunft mit guten Chancen für alle Kinder. Bei denjenigen, die als Jugendliche zu uns kommen, allein oder mit ihren Eltern, darf das Ende der (Berufs )Schulpflicht nicht dazu führen, dass Jugendliche keine Chance erhalten, eine Schule zu besuchen. Die Berufsschulen haben eine Brückenfunktion bei Spracherwerb und ersten praktischen Erfahrungen. Darin werden wir sie stärken. Schule und Bildung sind der Schlüssel zu einer Zukunft mit guten Chancen auf Integration. Gleichzeitig werden wir die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen verbessern.
Wir wollen den Anteil von Auszubildenden mit familiären Einwanderungsgeschichten steigern. Und wir wollen mehr Studierende mit familiären Einwanderungsgeschichten an Universitäten und Fachhochschulen. Dazu werden wir sichere Zukunfts- perspektiven für ausländische Studierende in Deutschland schaffen. Wer hier erfolgreich ein Studium abgeschlossen hat, soll ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten.
Integrationskurse sollen besser auf Zielgruppen ausgerichtet werden. Sie sollen außerdem grundsätzlich allen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie Geduldeten offenstehen, sofern nicht von vornherein klar ist, dass sie nicht in Deutschland bleiben. Wir wollen die Integrationskurse und die berufsbezogene Sprachförderung besser mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie der Berufsorientierung, der Ausbildung und der Beschäftigung in Betrieben verbinden. Wir wollen besonders auch Frauen und Mütter aus Einwanderungsfamilien erreichen. Denn sie sind entscheidend für die gelingende Integration der ganzen Familie.
Ein zentrales Element bei der Anerkennung von Studien- und Berufsabschlüssen und Nachqualifizierung ist die Verzahnung von Kompetenzfeststellung und Arbeitsmarktintegration. Jedem und jeder soll eine Kompetenzfeststellung ermöglicht werden. Die Kosten für Anerkennungsverfahren werden wir sozialverträglich gestalten und einen Rechtsanspruch auf Beratung zu Anerkennungsverfahren festschreiben.
Wir haben dafür gesorgt, dass Schutzsuchende, die sich in einer dualen Ausbildung befinden, diese unabhängig vom Ausgang ihres Asylverfahrens beenden und sich danach auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt bewerben können (3+2-Regelung). Wir werden dafür sorgen, dass diese auch für Ausbildungsbetriebe wichtige Regelung mit Leben erfüllt wird. Darüber hinaus prüfen wir eine analoge Regelung für aktiv Studierende.
In unserem Land haben rund 20 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund. Wir wollen, dass sich der Anteil von Menschen mit familiären Einwanderungsgeschichten auch in der Zusammensetzung des öffentlichen Dienstes niederschlägt. Zielvorgaben, Ausbildungskampagnen und faire Bewerbungsverfahren unterstützen diesen Prozess. Dazu gehört auch die Offenheit gegenüber unterschiedlichen Kulturen, die wir in allen gesellschaftlichen Bereichen umsetzen wollen, insbesondere in der Aus- und Weiterbildung der Gesundheits- und Pflegeberufe.
Wir sollen mehr über die Auswirkungen von Ein- und Auswanderungen auf den gesellschaftlichen Wandel erfahren. Dafür sind wissenschaftsbasierte Analysen notwendig. Wir haben uns erfolgreich für eine nachhaltige, institutionelle Stärkung der Migrations- und Integrationsforschung und eine bessere Vernetzung der Forschenden eingesetzt und wollen dies noch weiter vorantreiben.
Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ist eine wesentliche Voraussetzung für Integration. Wir setzen uns weiterhin für die Akzeptanz von Mehrstaatigkeit für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sowie bei Einbürgerungen ein. Für Es ist Zeit für eine offene und moderne Gesellschaft in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern haben wir die Optionspflicht abgeschafft. Wir stehen weiterhin zu dem Prinzip der Mehrstaatigkeit. Gilt dieses Prinzip in der Einbürgerungspraxis in Deutschland, wollen wir durch bilaterale Abkommen mit anderen Staaten die wechselseitige Akzeptanz stärken und prüfen, inwiefern der Vorschlag des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Integration und Migration für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht umsetzbar ist.
Sport und Kultur sind ein starker Integrationsmotor. Hier kommen Menschen zusammen, lernen sich kennen und bauen Vorurteile ab.
Wir sind stolz auf alle Vereine und die vielen Ehrenamtlichen, die sich für das Miteinander einsetzen. Dieses Engagement werden wir weiterhin unterstützen. Das gilt auch für alle Einrichtungen und Orte, die Begegnung ermöglichen – Vereine, Gewerkschaften, Kirchen, Religionsgemeinschaften oder Bürgerinitiativen.
Sport ist auch eine gute Gelegenheit, in vielfältiger Weise Vielfalt zu fördern. Wir wollen gute Rahmenbedingungen schaffen: für ehrenamtliche Projekte im Sport, die ethnische Barrieren überwinden helfen, die Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie etwas entgegensetzen oder die in anderer Form den Zusammenhalt in der Gesellschaft fördern.
Der interreligiöse Dialog und das Wissen über Religionen und Kulturen sind wichtig für ein friedliches Miteinander und gegenseitigen Respekt.
Wer ein aufgeklärtes Wissen über die eigene und andere Religionen hat, ist oft weniger anfällig für Extremismus. Wir wollen daher allen Kindern Religions- und Ethikunterricht ermöglichen. Wir unterstützen den islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen und in deutscher Sprache auch aus präventiven Gründen. Dabei verfolgen wir das Ziel, dass islamische Religionslehrerinnen und -lehrer sowie Imame an deut- schen Lehrstühlen ausgebildet werden.
Muslime und der Islam sind Teil unseres Landes. Wir unterstützen die organisatori- sche Entwicklung von muslimischen Gemeinden und Organisationen, wenn sie sich in Deutschland nach deutschem Recht gründen und wenn sie die freiheitliche demokratische Grundordnung achten. Erfüllen sie die Voraussetzungen, dann stehen ihnen auch die Möglichkeiten unseres bewährten Religionsverfassungsrechts offen. (Auszug aus dem Wahlprogramm der SPD, S. 78-88)
(Quelle: Wahlprogramm der SPD zur Bundestagswahl 2017, beschlossen auf dem Bundestagswahlparteitag in Dortmund vom 25. Juni 2017)
Noch ein Tipp: Bereits im MZ-Wahlkalender erschienen sind die Wahlprogramme der Linken (Türchen 5), die von CDU/CSU, FDP und den Grünen folgen in den nächsten Tagen.